85 · Digital Guide · Real Estate 2025 „Unser Anspruch war von Anfang an klar: Wir wollen eine Datenmanagement-Plattform bauen, an der niemand vorbeikommt – gewissermaßen das ‚Immobilienscout der ESG-Daten‘“, erklärt Daniel Glubrecht, Product Owner bei ista. Heute, mehr als ein Jahr später, nutzen mehr als 150 Kunden, die insgesamt mehr als 14.000 Liegenschaften mit über 250.000 Wohneinheiten verwalten, den ESG-Manager. Der Clou: Während PropTechs, die ähnliche Lösungen entwickeln, auf die Datenlieferung der Wohnungswirtschaft angewiesen sind, konnte ista von Beginn an auf die eigene Datenbasis mit rund 14 Millionen Gebäuden und Wohnungen setzen. Ein erheblicher Vorteil, der die Entwicklung massiv beschleunigte. „Erfolgreiche Player profitieren von Skaleneffekten, einer bestehenden Kundenbasis und dem Vertrauen ihrer Zielgruppen. Wo das nicht funktioniert, spielen sie ihre Größe aus und generieren den notwendigen Druck auf den Markt“, erklärt Betz. Zudem setzen immer mehr Unternehmen auf strategische Investments, um weitere Dienstleistungen anbieten zu können. Die Scout24-Gruppe etwa erwarb Mitte 2023 die Sprengnetter Gruppe, die Daten für Immobilienbewerter und Sachverständige zur Verfügung stellt. Wenige Monate später kaufte das Unternehmen dann 21st Real Estate, eines der frühen Start-ups. Und Ende 2024 kam dann noch bulwiengesa zur Firmengruppe hinzu. „Mit bulwiengesa erweitern wir unser Datenangebot um den gewerblichen Immobiliensektor. Die führenden Datendienste ergänzen unser Produktangebot und passen perfekt zu unserer Strategie, der führende Anbieter von Immobilieninformationen in Deutschland zu werden. Gemeinsam werden wir die Markttransparenz erhöhen, die Digitalisierung von Immobilientransaktionen vorantreiben und unseren gewerblichen Kunden einzigartige Services bieten, damit sie sich in dem immer komplexer werdenden Immobilienmarkt besser zurechtfinden“, kommentierte Tobias Hartmann, CEO der Scout24 SE, den jüngsten Ankauf. Das Unternehmen kündigt damit indirekt auch einen stärkeren Wettbewerb in der Immobilienbewertung an – einem Bereich also, in dem sich viele PropTechs seit Jahren zu etablieren versuchen. „Weil die Industrie so träge ist, ist der relative Geschwindigkeitsvorteil von PropTechs limitiert. Es hilft nichts, schnell zu sein, wenn ein großer Player Jahre später die Lösungen nachbauen und dank seiner etablierten Kundenbasis in der Breite ausrollen kann“, meint Zanetti. MANCHMAL SCHAUFELN PROPTECHS AN IHREM EIGENEN GRAB Ein weiteres Manko der Startup-Szene findet sich auch in der Marktansprache. „Viele PropTechs unterschätzen die Komplexität der Immobilienwirtschaft und setzen auf die falschen Kundengruppen. Fast alle Start-ups wollen mit den größten Bestandshaltern und Investoren arbeiten. Dabei ist unsere rungsstudie 2024 von ZIA und EY Real Estate gab jedes vierte befragte Unternehmen an, weniger als ein Prozent des Jahresumsatzes in Digitalisierung zu investieren – das betraf fünf Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Und damit nicht genug. PropTechs sehen sich zunehmend auch im Wettbewerb mit etablierten Tech-Konzernen. „Immobilienunternehmen setzen in Zeiten knapperer Budgets eher auf etablierte Technologiepartner. Die Bereitschaft, unerprobte Lösungen zu implementieren, ist geringer als noch vor ein paar Jahren“, sagt Scheidecker. Diesen Trend beobachtet auch Nikolas Samios, Managing Partner des auf PropTechs spezialisierten VentureCapital-Unternehmens PT1: „Die Innovations-Karawane zieht stetig weiter. Was vor fünf oder sechs Jahren noch ‚innovativ‘ war, ist heute teilweise Mainstream. Oder einfach gesagt: Was ich von Microsoft oder SAP kaufen kann, hole ich mir als großer konservativer Kunde nicht von einem kleinen Start-up.“ Diese Entwicklung war über Jahre absehbar, meint Scheidecker. „Sobald sich große Technologie-Player in Richtung der Immobilienwirtschaft bewegen, haben sie einen Wettbewerbsvorteil. Sie können von Beginn an mit mehr Geld, Know-how und einem umfassenden Track Record aus anderen Bereichen agieren.“ "WIR ERLEBEN EINE ART REVERSE DISRUPTION" Doch nicht nur Technologiekonzerne bedrohen das Neugeschäft von PropTech-Unternehmen, auch innerhalb der Branche nimmt der Wettbewerb zu. „Wir erleben aktuell eine Art Reverse Disruption“, erklärt Robert Betz, EMA Head of Digital Real Estate von KPMG. „Immobilienkonzerne nehmen PropTechs den Wind aus den Segeln, indem sie eigene Lösungen entwickeln oder Start-ups gezielt aufkaufen.“ Ein Beispiel dafür liefert der Energie- und Immobiliendienstleister ista. Anfang 2023 stellte das Essener Unternehmen den ista-ESG-Manager vor und kündigte an, bis 2025 der führende Plattformanbieter für das ESG-Datenmanagement in der Immobilienwirtschaft zu werden. 30 Unternehmen aus dem PropTechSektor mussten im Gesamtjahr 2024 Insolvenz anmelden. Die gute Nachricht: Im Vergleich zum Vorjahr 2023 bedeutet das einen Rückgang um 21 Prozent. „WIR ERLEBEN AKTUELL EINE ART REVERSE DISRUPTION: IMMOBILIENKONZERNE NEHMEN PROPTECHS DEN WIND AUS DEN SEGELN, INDEM SIE EIGENE LÖSUNGEN ENTWICKELN ODER START-UPS GEZIELT AUFKAUFEN.“ Robert Betz, EMA Head of Digital Real Estate von KPMG
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