Immobilien Wirtschaft Digital Guide Real Estate 2022

80 DIGITAL GUIDE REAL ESTATE 2022 I IMMOBILIEN-SOFTWARE anstelle von kleinen, günstigeren Software-Anbietern, die über Schnittstellen miteinander vernetzt sind? Jens Kramer, Geschäftsführer des SAP-Resellers Promos consult, erklärt es so: „Ein Großteil des wohnungswirtschaftlichen Markts wird durch kleinere und mittlere Unternehmen bestimmt. Diese wollen oft gar nicht fünf verschiedene Apps für ihre verschiedenen Anwendungsbereiche, die per Schnittstelle verbunden sind. Viele wünschen sich, mit einem einzelnen Anbieter zu sprechen, der diese fünf Apps aus einer Hand anbietet.“ SCHNITTSTELLEN UND EINZELPROZESSE Müssen alsoWohnungsunternehmen, Genossenschaften und ihre Verwalter für ihre Plattformen auf die wachsende Fülle innovativer PropTechs verzichten? Einige ERPAnbieter setzen auf feste PropTech-Partner, die als Zusatzmodul erhältlich sind. So baut Haufe Lexware Real Estate in seinem ERP-System axera auf Lösungen etwa von Casavi oder Immosolve. Der Geschäftsführer in der Haufe Group Dr. Carsten Thies unterstreicht: „Die Idee ‚Eine für alles‘ funktioniert nicht! Die Anforderungen sind zu komplex, die technische Entwicklung ist zu dynamisch. Selbst große Player decken nicht alles ab, was Unternehmen brauchen. Wir von Haufe kooperieren mit vielen Anbietern spezieller Lösungen, um unseren Kunden integrierte Prozesse zu bieten.“ Dennoch gilt festzuhalten: Die großen Plattform-Anbieter konfigurieren lieber eigene Lösungen und verzichten auf Schnittstellen. Dementsprechend groß ist ihr Produktportfolio, doch dieses ist gerade für kleinere und mittlere Unternehmen finanziell kaum erschwinglich. Anbieter wie Domus habenmittlerweile darauf reagiert und für Bestandshalter undVerwalter mit weniger als 500 Einheiten eine eigene Produktlinie kreiert. Im Wohnsegment sind Plattformen also eine Selbstverständlichkeit. Doch für die Nutzungsart Gewerbe muss der Markt andere Lösungen bereitstellen. Denn die Verwaltung etwa von Büros oder Handelszentren gestaltet sich komplexer: Zusätzliche Projektparteien wie das Asset und Fondsmanagement, erhöhte Regularien wie die ESG-Taxonomie oder sehr heterogene Verträge bieten nicht die ideale Basis für eine Musterlösung. Große Häuser wie Yardi und Aareon mit ihren ERPSystemen „Voyager Commercial“ oder „ReLion“ stellen zwar Plattformlösungen für Gewerbeimmobilien bereit. Diese haben sich aber zum Teil aus einem wohnungswirtschaftlichen Produktportfolio entwickelt. Tatsächlich bauen die großen Gewerbeimmobilieninvestoren hierzulande lieber auf eigene Plattformen, die sich mittels Unternehmensbeteiligungen schrittweise zum Ökosystem entwickeln. Patrizia verkündete bereits im Oktober 2019 die Kreation einer „hochmodernen Branchenplattform“ mit den beiden Anbietern Cognotekt und Evana. Der Begriff ist allerdings irreführend, da die Lösung nur für Patrizia konfiguriert wurde. Ähnliches gilt für Union Investment, das eine Beteiligung anArchitrave, einemAnbieter für Dokumentenmanagement undDatenräume, erwarb und dabei unter anderem Euconmit seiner KI-Lösung für das Rechnungsmanagement andockte. Einen etwas anderenWeg ging die HIHReal Estate, die über ihre Service-KVG IntReal gemeinsam mit dem Entwickler control.IT das Unternehmen easol gründete. Heute umfasst easol als frei verfügbares Ökosystem für das Asset und Property Management von Gewerbeimmobilien zehn verschiedene Software-Lösungen. GEMEINSAMER DATENSTANDARD Viel stärker als dieWohnungswirtschaft greifen die großen Investoren für Gewerbeimmobilien bei ihrer Digitalstrategie auf Schnittstellen zurück. Was sich einfach anhört, bleibt auch in den nächsten Jahren eine gewaltige Herausforderung für die ITSpezialisten. „Die Angebote und Fähigkeiten der PropTechs werden idealerweise so kombiniert, dass die für den Kunden beste Lösung entsteht. Dabei müssen die Schnittstellen funktionieren. Hier ist aktuell noch sehr viel Arbeit zu leisten“, sagt Philipp Schäfer, Managing Director Real Estate bei Eucon. Eine Lösung bieten APIs (application programming interface), die auf der Basis von Programmierstandards funktionieren. Einige Produkte wie realax, eine vom Unternehmen GiT kreierte umfassende Plattform für das Management Experten „Für uns hat ein starkes und vielfältiges Partnernetzwerk hohe Priorität. Die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit allen Beteiligten ist dabei selbstverständlich.“ Dr. Carsten Thies, Geschäftsführer in der Haufe Group „Wir sollten uns nicht an Mega-Plattformen wie Google oder Amazon orientieren, da die Immobilienwirtschaft hierzulande mittelständisch geprägt ist.“ Marko Broschinski, easol-Geschäftsführer

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