23 MAKLERDIGITALISIERUNG schränkungen habe allerdings dazu geführt, dass man als Qualitätsmakler viele Tätigkeiten noch intensiver vorbereitet habe, bevor es zum physischen Kontakt gekommen sei. „DerMakler wird unsichtbarer“, so Mettenbrink. 3D-Rundgänge und Co. ja, aber letztendlich müssten die potenziellen Käufer begeistert werden, und das geht fürMakler FlorianGraf von Bothmer – Pandemie hin oder her – nur in der realen Welt. „Emotionen und Lage, Lage, Lage werden heute wie morgen die erste Rolle spielen“, so von Bothmer. Der Makler aus dem niedersächsischen Lauenbrück ist stolz auf seine Heimatregion und erfährt wie viele seiner Kollegen in diesenTagen deutlichen Zuspruch. Stadtflucht lässt grüßen. KRISE SCHAFFT NEUE MÖGLICHKEITEN Von Bothmer sieht die 360-Grad-Besichtigungen vor allem als geeignetes Instrument, um den Verkäufer nachhaltig zu beeindrucken. Ein Trend, der bereits lange vor Corona eingesetzt habe und der in der Vermarktung unter eingeschränkten Pandemiebedingungen gerade recht gekommen sei. Wie die Krise neue Möglichkeiten eröffnet, zeigt die clevere Marketingidee des Unternehmens Pistoor Immobilien. Inhaber Arne Pistoor ausWesterstede hat die Pandemie (und geschlossene Geschäfte) als Anlass genommen, der heimischen Wirtschaft seine Expertise kostenlos für 360-Grad-Rundgänge zur Verfügung zu stellen. Im Ergebnis habe sich eine für alle bereichernde Win-winSituation ergeben, da Gewerbebetriebe und Kunden vom gemeinsamen Austausch und neuen Einblicken profitieren würden, sagt Arne Pistoor. Als Mitglied des Wirtschaftsforums Westerstede hat der regionale Makler seine 3D-Erfahrungen gezielt eingesetzt. Vom Eisbäcker über das Autohaus, die Gastronomie bis zum Blumenladen habe die Auszubildende Kira Süsens mit der Kamera hinter die Kulissen geschaut, getreu dem Motto: „Wir sind auch noch da, trotz Krise.“ Und Pistoor sagt: „Wir zahlen damit zeitgleich positiv auf das Konto Eigenmarketing ein.“ Käufer kann dann laut Meyer bequem vomheimischen Sofa die zuvor vomMaklerteamerstellten Rundum-Fotos ameigenen PC oder Laptop ansteuern. Das Prinzip funktioniere zudem per Helmkamera auch in Echtzeit. Der Auftraggeber steuere ihn dann quasi per Videotelefonie durch die entsprechende Immobilie, erzählt Jan Meyer. Das erzeuge einen Livecharakter. DRUCK AUF DIE PROVISIONEN BESCHLEUNIGT DIE VERMARKTUNG In der Phase drei sind dann, so Meyer, noch drei bis vier Kunden in der engsten Auswahl inklusive zugesagter Finanzierung der Bank. „Die Interessenten reagieren heute gerade im Kauf zur Selbstnutzung weitaus technikaffiner. Sie informieren sich, so weit es geht, zunächst vorab von zuHause“, ist die Erfahrung Meyers. Ein äußerst nützlicher Nebenffekt sei somit, dass sich der gesamte Verkaufs- undVermietungsprozess enorm beschleunige. Ist damit das praktizierte Geschäftsprinzip bekannter Online-Makler mit früh erprobten digitalen Prozessen wie Homeday oder McMakler im Vorteil? Angesichts des Drucks auf Provisionen könnte diese beschleunigte Vermarktung bei „Standardimmobilien“ oder im Massengeschäft zum neuen Normal werden. Manche Branchenkenner erwarten gerade für Strukturmakler wie Franchisegeber oder Sparkassen mehr Gegenwind am Markt. Auch die Provisionen stehen unter Beschuss. Verkäufer und Käufer müssen beispielsweise bei Homeday mit je 1,95 Prozent des Kaufpreises eine deutlich niedrigere Provision als marktüblich zahlen. Das eigentliche Problem der Maklerbranche scheint kurz- und mittelfristig jedoch nicht das Verkaufen zu sein (Nachfrager gibt es viele), sondern der Wettbewerb um Aufträge. Niedrige Provisionen sind nicht wirtschaftlich tragbar für die klein- undmittelständisch geprägte Maklerszene und würden lediglich zum Outsourcen von Dienstleistungen führen, die dann extra bezahlt werden müssen. Die verbandsorientierte Maklerszene ist skeptisch, wenn an der Preisschraube gedreht würde. McMakler, einer der wachsenden Online-Makler, setzt auf schnelle digitale Prozesse und gleichzeitig auf qualifiziertes Fachwissen vor Ort, einHybridModell, das nach dem Geschmack von Jan Mettenbrink ist – auch wenn sich der Geschäftsführer der Maison Immobilien GmbH nicht mit dem aus Print und TV für kostenfreie, unverbindliche Immobilienbewertungen bekannten bundesweiten Anbieter vergleichen möchte. Er beneide die Maklerketten im Netz lediglich um teils enorme Marketingetats, die flächendeckend Werbung unters Volk bringen. Netzwerker Mettenbrink verfolgt die Chancen der Digitalisierung im Maklergeschäftmit hoher Konsequenz undhat die aktuelle Lockdown-Phase für den weiteren Ausbau genutzt. Die Notwendigkeit forcierter digitaler Prozesse sei durch die Pandemie bei den meisten Maklern nun mit Nachdruck angekommen, weiß der Fachausschuss-Vorsitzende der Maklerinnen und Makler des Immobilienverbands IVD im Norden. Fakt bleibt nach der Meinung von Mettenbrink, dass digitales Wissen die Geschäftsprozesse zwar beschleunigen kann, am Ende im Wettbewerb aber die wie in seinem Fall über Jahrzehnte erworbene Fachexpertise am eigenen Standort und ein dazu passendes hochqualifiziertes berufliches Netzwerk gewinne. Die Situation der Kontaktbe- « Hans-Jörg Werth, Scheeßel
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