Personalmagazin HR-Software 8/2024

HR-Tech-Markt Im Spannungsfeld zwischen Innovation und Konsolidierung KI und Ethik Diese Themen kommen auf den Personalbereich zu Neue Lösungen Zehn HR-Startups, die Arbeitgeber kennen sollten HR-Software Markttrends und Anbieterübersicht HR-Software personalmagazin plus 08.24

Hier nden: www.stellenma kt.hau e.de Finden statt Suchen: jobs für fach- und führungskräfte im haufe stellenmarkt nden Sie die passenden Jobs in den Be eichen Personalmanagement, Rec uiting, Gesundheitswesen u.v.m.

Alles passt, nur der Software-Anbieter nicht? Finden Sie jetzt den passenden Partner für HR-Software – mit unserer umfassenden Anbietersuche auf Softwarevergleich.de Passt.

Editorial 3 Liebe Leserinnen und Leser, kein HR ohne IT. Oder anders formuliert: Ohne spezialisierte Software, ohne datenbasierte Entscheidungen und ohne den einen oder anderen KIgestützten Copiloten sind die Herausforderungen im Personalmanagement kaum noch zu bewältigen. Das gilt beispielsweise für die Mitarbeitergewinnung: Laut einer Umfrage von Indeed erwarten zwei Drittel der HR-Verantwortlichen, dass sich die Lage beim Recruiting weiter verschlechtern wird. Mehr als die Hälfte betrachtet den Einsatz von Künstlicher Intelligenz als Schlüssel, um die Recruiting-Prozesse zu beschleunigen. Knapp die Hälfte glaubt, dass KI-Tools helfen können, Fachkräfte effektiver zu finden. Auch im Onboarding und dem gesamten weiteren Employee Life Circle ist Personalarbeit ohne Tech-Unterstützung eigentlich nicht mehr denkbar. Oder führt dort, wo sie mithilfe manuellen Behelfsmitteln anstelle moderner Software durchgeführt wird, zu langen Reaktionszeiten und hoher Fehleranfälligkeit. Lesen Sie in diesem Sonderheft, wie sich der Softwaremarkt neu sortiert, um den Ansprüchen der Personalabteilungen möglichst gut gerecht zu werden. Erfahren Sie mehr über neue HR-Tech-Startups, über digitales Skill Management, die Vorteile des modernen Zeitmanagements und die Folgen, die der EU AI Act für den Einsatz von KI in HR-Systemen haben wird. Im zweiten Teil dieses Sonderhefts stellen Softwareanbieter, die Sie 2024 auf dem Schirm haben sollten, ihre Lösungen und Innovationen vor. Interessieren Sie sich für ein spezielles HR-Tech-Thema, können Sie auch die umfassenden Suchfunktionen auf Softwarevergleich.de nutzen und sich über die Leistungen der führenden Marktteilnehmer informieren. Daniela Furkel Redaktion Personalmagazin personalmagazin HR-Software 2024 Foto: Britt Schilling; Titelbild: Katrin Binner Inhalt 04 Wachsende Ökosysteme Marktübersicht HR-Software 10 Zehn HR-Tech-Startups, die man kennen sollte Neue Anbieter für Personalprofis 14 KI und Ethik: Was auf HR zukommt Professor Bernd Irlenbusch über den verantwortungsvollen Umgang mit KI 18 Employee Experience im Fokus Aktuelles von der Kongressmesse HR Technology Europe 20 Sieben Wege, um Tech-Talente zu gewinnen Tipps für das Recruiting von IT-Fachkräften – mit und ohne Software 24 Out of the box Personalabrechnung Wissenswertes rund um die Payroll 26 Digitale Systeme lösen Kompetenzkataloge ab Wie Skill-Management-Software dabei hilft, Kompetenzen zu erfassen 30 Korsett oder Produktivitätstreiber? So können Unternehmen ihre Produktivität per Zeiterfassung steigern 33 Impressum 34 Firmenporträts 36 Abacus Umantis 38 Agenda 40 Bremer RZ 42 ComvaHRO 44 Effectory 46 GFOS 48 Hansalog 50 Haufe-Lexware 52 HR Worx 54 Interflex „Kein HR ohne IT. Ohne Software, Daten und KICopiloten ist gutes Personalmanagement kaum noch möglich.“ 56 Kenjo 58 Lexoffice 60 Paychex 62 Peras 64 Personio 66 Perview Systems 68 Rexx Systems 70 SP Data 72 Tisoware 74 Workday 76 Marktübersicht: Anbieter-Listings HR-Software

5 Marktübersicht Von Elke Singler Der HR-Tech-Markt bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Innovation und Konsolidierung. Zuletzt vermeldeten sowohl große multinationale Player als auch regionale Anbieter zahlreiche Akquisitionen, um ihr Portfolio zu erweitern. Obwohl dadurch vermehrt sogenannte Suite-Lösungen entstehen, scheint die Integrationsbereitschaft für Speziallösungen gestiegen. Die Idee eines „HR-Ökosystems“ setzt sich fest. Wachsende Ökosysteme

6 Wie KI Einzug in die Unternehmen hält Die IT-Ziele Mehr Sicherheit, ein größerer Integrationsgrad, eine höhere Geschwindigkeit und eine verbesserte User Experience – das sind die vier wichtigsten IT-Ziele von Unternehmen im DACH-Gebiet, wie die Studie „IT-Trends 2024“ von Capgemini ermittelte. Die Studie belegt, dass die Nutzung von KI-Technologien im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugenommen hat. Zu erwarten wäre, dass der jüngste Erfolg generativer IT wie Chat GPT für den Anstieg der Nutzerzahlen verantwortlich ist. Das ist aber nur bedingt der Fall, wie die Autoren schreiben. Insgesamt habe sich generative KI noch nicht oder nur vereinzelt auf das Tagesgeschäft ausgewirkt. Die IT-Pläne Der Einsatz generativer KI wird laut Studie stark steigen. Vor allem zur Erstellung von Texten, Bildern, Videos oder Audios setzen die Unternehmen künftig KI-Technologien ein. Die befragten IT-Verantwortlichen gehen davon aus, dass über 55 Prozent der Unternehmen in zwei Jahren intelligente Technologien für diesen Zweck nutzen werden. Auch beim Forecasting wird der KI-Einsatz stark zunehmen und in zwei Jahren in 53 Prozent der Unternehmen stattfinden. Zur Erkennung von Anomalien wird KI bereits heute relativ häufig genutzt (in 46 Prozent der Unternehmen). In zwei Jahren werden 63 Prozent auf diese Weise arbeiten. HR und IT Die Studie geht nicht spezifisch auf HR-IT ein, zeigt aber, wie wichtig der HR-Bereich für die Unternehmens-IT ist, denn die IT-Abteilungen sind stark vom Fachkräftemangel betroffen. Fast jede fünfte Stelle ist zurzeit nicht besetzt. Die IT-Verantwortlichen rechnen damit, dass in den nächsten zehn Jahren knapp 20 Prozent ihrer Mitarbeitenden in den Ruhestand gehen wollen. Die gravierendsten Folgen sind Know-how-Verlust, ein höherer Recruitingaufwand für die Unternehmen und eine höhere Arbeitsbelastung für die bestehenden Beschäftigten. HR-Software personalmagazin HR-Software 2024 In den HR-Abteilungen der Unternehmen ist die digitale Transformation mittlerweile in vollem Gange. Die Kostenvorteile der überwiegend cloudbasierten HR-Lösungen und die Möglichkeit, damit die HR-Prozesse zu rationalisieren sowie sich der wandelnden Arbeitswelt effektiver anzupassen, werden nicht mehr infrage gestellt. Kein Wunder also, dass der HR-Tech-Markt trotz angespannter Wirtschaftslage in Europa weiterhin hohe Wachstumsraten verzeichnet. Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung Deloitte haben 78 Prozent der Unternehmen ihre Investitionen in HR-Technologien erhöht. Sie wollen damit vor allem den Anforderungen von Remote Work und virtueller Zusammenarbeit gerecht werden. Ein weiterer Treiber für das Wachstum des HR-TechMarktes ist der zunehmende Fachkräftemangel. Dieser zwingt die Unternehmen verstärkt dazu, in innovative, digitale Lösungen zu investieren. Dazu gehören moderne Recruiting-Systeme, um geeignetes Personal effizienter identifizieren und einstellen zu können, genauso wie HR-Tech-Anwendungen für die Personalplanung, Employee Experience (EX) oder Talentmarktplätze. Eine erhöhte Marktdynamik und -konsolidierung ist aufseiten der HR-Tech-Anbieter zu beobachten. Große multinationale Player erweitern dabei genauso wie regionale Anbieter durch gezielte Übernahmen ihr Angebotsportfolio. Investitionsstarke Anbieter, zum Teil zusammen mit finanzstarken Kapitalgebern, haben komplementäre Lösungen gekauft, um ihre technologischen Fähigkeiten zu verbessern und/ oder ihre regionale Präsenz auszubauen. Aufgrund der diffizilen Wirtschaftslage stehen derzeit auch die HR-Budgets unter Druck, was für viele Unternehmen bedeutet, ihre bestehenden HR-Systeme zu konsolidieren. Viele setzen hierbei auf eine „Single Suite-Strategie“, wovon die Anbieter umfassender HCM-Suiten profitieren. Gleichzeitig halten Spezialanbieter mit Best-of-Breed-Lösungen dagegen und kommen in HR-Bereichen mit viel Disruptionspotenzial, wie Skill-Management, EX oder Analytics, aufgrund ihres hohen Innovationsgrades immer wieder zum Zug. Die Unternehmen sind trotz Konsolidierungsdruck daher gut beraten, die Spezialanbieter nicht außer Acht zu lassen. Sie sollten ein HR-Ökosystem schaffen, das alle relevanten Anbieter einbezieht. Dabei ist wichtig, dass alle HR-Tech-Lösungen, egal ob Suite oder Spezialist, als Teil des übergreifenden HR-Ökosystems funktionieren. Mittlerweile haben das fast alle HCM-Suite-Anbieter erkannt und sind im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Drittanbietern wesentlich flexibler geworden. Workforce Management als strategisches Wettbewerbsfeld Darüber hinaus sollte das HR-Tech-System den Prioritäten des Unternehmens entsprechen. In den vergangenen Jahren haben sich deshalb „Talent-zentrierte“ und „Experience-zentrierte“ Softwarelösungen etabliert. An Bedeutung gewinnen derzeit „Workforce-zentrierte“ Lösungen, die den Fokus auf die zahlreichen Mitarbeitenden auf dem „Shopfloor“ legen und für Bereiche wie Produktion, Logistik, Einzelhandel oder das Gastgewerbe interessant sind. Das Workforce Management (WFM) könnte sich demzufolge zu einem strategischen Wettbewerbsfeld entwickeln. Die neue Generation der Mitarbeitenden ist anspruchsvoller und erwartet moderne HR-Tech-Tools, die zum Beispiel eine stärker personalisierte EX als bisher ermöglichen. Workforce-Intelligence-Anwendungen, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) Informationen über alle Daten der Belegschaft im gesamten Mitarbeiterlebenszyklus auswerten, um darauf basierend beispielsweise eine personalisierte EX zu generieren oder datengestützte Entscheidungsgrundlagen zu liefern, sind daher äußerst erfolgversprechend. Um dieses neue Niveau zu erreichen, ist KI gefragter denn je. Gebremst wird die Entwicklung jedoch noch häufig

7 Marktübersicht durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Doch es gilt: Steter Tropfen höhlt den Stein und so bahnt sich die KI ihren Weg in den Bereichen EX, SkillManagement, Engagement, Learning oder Talentmobilität zwar langsam, jedoch kontinuierlich. Ein Trendbarometer dafür, wieviel KI gewünscht und letztendlich genutzt werden wird, ist die neue Anwendung Microsoft Copilot für Microsoft Office 365. Diese bietet KI-Unterstützung in täglich genutzter Software. In welchem Umfang die Mitarbeitenden die neuen Funktionen anwenden, wird auch für die HR-TechAnbieter richtungsweisend sein, um ihr Angebot entsprechend auszubauen. Über kurz oder lang wird KI auch im Bereich der HR-Systeme eine neue Generation von Softwarelösungen hervorbringen. Laut Umfragen des Analysten Fosway planen mehr als zwei Drittel aller Unternehmen in Europa und dem Nahen Osten KI verstärkt im HR-Bereich zu nutzen. Dabei erwarten die Unternehmen, dass ihre jetzigen Anbieter auch generative KI wie Chat GPT in die bestehenden Softwarelösungen integrieren. KI findet in vielen Bereichen statt – zumindest theoretisch Es gibt viel zu tun für die HR-Tech-Anbieter, die KI und generative KI bereits in Bereichen wie Recruiting, Performancemanagement, Skillmanagement oder Feedback anpreisen. Die Realität bleibt dabei jedoch noch oft hinter den Marketingversprechen zurück. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist innerhalb der EU nämlich äußerst schwierig und die zunehmenden KI-Regulierungen, wie das geplante EU-KI-Gesetz, stellen höhere Anforderungen hinsichtlich Transparenz und Erklärbarkeit der KI-Anwendungen. Neben den Techniktrends stellt auch die sich wandelnde Arbeitswelt immer neue Anforderungen an HR. Teamwork und sogenannte High-PerformanceTeams entwickeln sich zum Dreh- und Angelpunkt des Unternehmenserfolgs. Aktuell gibt es nur wenige HR-Tech-Lösungen, die dies adäquat unterstützen. Deshalb bestehen hier gute Wachstumschancen für etablierte Anbieter, Spezialanbieter und Start-ups. Kein neues, aber immer noch nicht abgeschlossenes Thema ist die Integration von HR-Anwendungen in täglich genutzte Bei den HR-TechAnbietern lässt sich eine erhöhte Dynamik und Konsolidierung beobachten. Auf dem Markt gibt es neue Namen, neue Funktionen und zahlreiche Produktoptimierungen – oft einhergehend mit KI-Anwendungen. Workplace-Tools. Infolgedessen stellen HR-Lösungen zunehmend Integrationen in Microsoft Teams oder Slack zur Verfügung. Unter dem Stichwort „Headless Integration“ nehmen jetzt immer mehr Anbieter diese Funktionalität in ihre Lösungen auf, was Echtzeit-Integration und einen optimierten Datenaustausch ermöglichen soll. Der HR-Tech-Markt befindet sich derzeit im Spannungsfeld zwischen Innovation und Konsolidierung. Ein Bild, das sich auch beim Blick auf einige der führenden, global agierenden HR-Softwarehersteller zeigt. Zunächst fällt dabei ein neuer Name im Feld der Cloud HCM-Suiten auf: Dayforce. Es handelt sich um den bisherigen Anbieter Ceridian, der sich Anfang 2024 in Dayforce, entsprechend seinem bekannten HCM-Kernprodukt, umbenannte. Neu ist auch, dass der Anbieter nun eine Lohn- und Gehaltsabrechnung für Deutschland anbietet und somit wohl den DACH-Markt verstärkt ins Visier nimmt. Entsprechend der globalen Marktposition sind auch neue KI-Funktionen sowie eine Reporting-Plattform und eine Karriere- und Skill-Entwicklungsplattform ins Portfolio aufgenommen worden. Oracle konzentrierte sich in letzter Zeit auf die Produktverbesserung in den Bereichen Personalplanung, Kompetenzmanagement und Karriereplanung. Gute Kundenbewertungen erhält der Anbieter laut dem Analysten Gartner für seine Recruiting- und Onboarding-Anwendungen, die durch einen digitalen Assistenten unterstützt werden. Die EX wird von Oracle ME, der Plattform für Mitarbeitererfahrung, bereitgestellt und wurde nun durch Oracle Grow, eine Plattform, die Learning, den internen Talentmarktplatz und die Talentmobilität integriert, erweitert. Der Anbieter überzeugt derzeit durch seine starke Innovationskraft, auch wenn es für ihn immer noch herausfordernd ist, sich gegen die starke Konkurrenz auf dem DACH-Markt zu behaupten, etwa gegen SAP mit der SAP Success Factors HXM Suite und zahlreichen anderen Anwendungen. SAP konzentrierte sich zuletzt auf Produktverbesserungen, indem Funktionalitätslücken geschlossen wurden. Neu sind hier dynamische Team-Anwendungen, People Analytics und ein Talent Intelligence Hub. Des Weiteren arbeitet SAP eng mit Microsoft zusammen, um generative KI-Anwendungen für HR zu

8 HR-Software personalmagazin HR-Software 2024 entwickeln. Das zeigt, dass alle großen Markttrends von den führenden, global agierenden Anbietern aufgenommen und vorangetrieben werden. Workday reiht sich hier nahtlos ein. So hat der US-amerikanische Cloud-Anbieter jüngst den Schwerpunkt seiner Investitionen auf die Verbesserung des Qualifikationsmanagements und die Einführung eines Manager Insights Hub gelegt. Ziel ist es, Führungskräfte bei der Karriereentwicklung von Mitarbeitenden umfassend zu unterstützen. Im wichtigen Bereich EX ist Workday laut Gartner einer der leistungsstärksten Anbieter. Auch der Einsatz generativer KI ist bei Workday ein zentrales Thema und so arbeitet man an der Integration generativer KI in die Benutzeroberfläche. Ebenfalls auf dem neuesten Stand in Sachen KI ist Cornerstone, der marktführende Anbieter für Lernplattformen. Er bietet nun einen Talentmarktplatz, der KI-basiertes Kompetenzmanagement nutzt. Der Anbieter integrierte auch einen Chat-GPT-basierten, virtuellen Assistenten in seine Recruiting-Lösung und seine Job-Modelle, um Stellenanzeigen und Arbeitsplatzbeschreibungen KI-unterstützt zu generieren. Nach der Übernahme des Learning- und Experience-Plattform-Spezialisten Ed Cast im Jahr 2022 hat Cornerstone das Content-Studio von Ed Cast und andere Funktionen mittlerweile in seine umfangreiche HCM-Suite integriert. Übernahmen, Beteiligungen und Partnerschaften in DACH Diese Beispiele verdeutlichen die Innovationskraft der führenden HCM-Suiten-Anbieter auf dem globalen HR-TechMarkt. Zoomt man nun näher heran und fokussiert den HR-Tech-Markt in DACH, so zeigen sich die gleichen Entwicklungen. Auch hier nehmen Übernahmen, Beteiligungen und Partnerschaften zu. Dabei entstehen vermehrt Anbieter, die komplette und teils umfangreiche HCMSuiten liefern können. So übernahm Ende 2023 der ERP-Anbieter Pro Alpha den etablierten HR-Softwareanbieter Persis, um sein Portfolio im HCM-Bereich auszubauen. Die Persis-Anwendungen sowie die Lösungen des bereits zur Unternehmensgruppe gehörenden Zeit- und Zutritt-Anbieters Tisoware sollen in eine Gesamtlösung integriert werden. Damit treibt der Anbieter für ERP-Software für die mittelständische Fertigungsindustrie die Entwicklung einer gemeinsamen, gruppenweiten Strategie rund um HRProzesse voran. Anfang 2024 legte Pro Alpha nochmals nach und gab die Übernahme der Quiply Technologies GmbH bekannt. Die Quiply-App ermöglicht es, HR-Prozesse weiter zu digitalisieren und die interne Kommunikation zu verbessern. Die Zielgruppe sind Mitarbeitende, die weder Desktop noch Intranet nutzen, was für Branchen wie industrielle Fertigung, Transport, Logistik, Handel oder Gesundheitswesen interessant ist.

9 Marktübersicht Die Integration aller Lösungen wird etwas Zeit in Anspruch nehmen, aber die Marktkonsolidierung hin zu umfangreicheren Komplettlösungen zeichnet sich hier deutlich ab. Dies gilt ebenfalls für den etablierten Schweizer Talentsoftware-Anbieter Umantis, der jahrelang zur deutschen HaufeGroup gehörte. Mitte 2023 wurde dieser von dem ERP- und Lohn-Spezialisten und Schweizer Marktführer, der Abacus Research AG, übernommen. Durch die Übernahme will der Softwareanbieter sein HR-Portfolio in den Bereichen Talent- und Bewerbermanagement stärken und auch in Deutschland und Österreich vermehrt Kunden hinzugewinnen. Dazu stellte das nun unter Abacus Umantis AG firmierende Unternehmen Ende März 2024 auf der Schweizer Personalmesse „HR Festival Europe“ in Zürich seine Komplettlösung für ein digitales HR vor. Dies zeigt die Entwicklung vom Talentmanagement-Spezialisten zum Anbieter einer umfassenden Lösung für alle Bereiche des Personalwesens. Die neue, vollständig integrierte HR-Suite von Umantis soll eine effiziente, effektive und einfache Verwaltung aller Personalprozesse ermöglichen. Dazu gehören Bereiche wie Recruiting, Onboarding, Weiterbildung, Nachfolgeplanung sowie Tools für administrative Aufgaben, zum Beispiel die digitale Ablage von Personalakten und rechtssicheres, digitales Unterzeichnen von Arbeitsverträgen. Somit positioniert sich durch Bündelung der Kompetenzen und Ressourcen ein weiterer Anbieter mit einer umfangreichen HR-Suite für den Mittelstand in DACH. Weiter wachsen will auch Veda, ein Personalsoftware-Pionier, der bereits seit 1977 bei kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland im Einsatz ist. Veda bekam dieses Jahr einen neuen Mehrheitsaktionär, die in Bahrain ansässige Investcorp Technology Partners (ITP). ITP verfügt über gute Kenntnisse der Softwarebranche in der DACH-Region und will mit seiner Investition die Go-to-Market-Strategie von Veda stärken und das Produkt- und Dienstleistungsportfolio ebenfalls weiter ausbauen. Der Schwerpunkt soll nach Angaben des Unternehmens auf dem Cloud-Geschäft liegen. Geplant ist, dass zusätzliche Akquisitionen mit ergänzenden Produkten und Dienstleistungen das Wachstum vorantreiben. Das Wachstum vorantreiben möchte auch Rexx, ein etablierter HR-Tech-Anbieter in DACH, und stellte dazu, den globalen Trends folgend, seine Innovationskraft unter Beweis. Mit dem KI-Assistenten RAI (Rexx Artificial Intelligence), der die User beim täglichen Umgang mit der RexxSuite unterstützen soll und optional auch durch ChatGPT erweiterbar ist, will der Anbieter am Markt punkten. Innovation stand auch bei dem Personalsoftware-Anbieter Perbit nach der bereits 2021 erfolgten Übernahme durch Elvaston Capital Management auf der Agenda. Mit erhöhtem Budget wurde Perbit „myHR“ entwickelt. Dies ist eine sogenannte Low-Code-Plattform, die eine einfache Nutzung ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse ermöglicht. Damit sollen individuelle HR-Tools vom Personalbereich selbst konfiguriert werden können. Ebenfalls ein Trend, der am Markt durchaus Erfolg verspricht. Nicht fehlen beim Blick auf den DACHMarkt darf auch der über die HR-Szene hinaus bekannte HR-Tech-Anbieter Personio. Dieser investiert trotz erster Einsparmaßnahmen weiter in seine Allin-One HR-Plattform für KMU. Ein umfassender Marktplatz, über den Kunden viele kleinere HR-Anwendungen einbinden können, rundet das Angebot ab. 2023 griff Personio darüber hinaus das diffizile und mittlerweile zunehmend gefragte Thema Payroll auf und brachte eine Gehaltsabrechnung für Deutschland auf den Markt. 2024 hat diese die Zertifizierung durch die Informationstechnische Servicestelle der gesetzlichen Krankenversicherung (ITSG) erhalten und laut Unternehmensangaben besteht seitens der Kunden gute Nachfrage. Der Hauptkonkurrent im KMU-Segment, der HR-Softwareanbieter HR Works aus Freiburg, setzt hingegen bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung weiterhin auf die Kooperation mit der Datev. Wachstum wird hier durch die Anfang 2024 verkündete Partnerschaft mit dem Zeiterfassungsspezialisten Time Tac angestrebt. HR Works als HR-Softwarespezialist für digitale HRProzesse, wie Stammdatenverwaltung, digitaler Personalakte oder Bewerbermanagement, und Time Tac als Anbieter von Zeiterfassungssoftware verbinden ihre Systeme nun schrittweise. Damit erweitern beide Partner ihr Produktportfolio und bieten gemeinsam eine Gesamtlösung für deutschsprachige KMU. Katalysatoren für die Veränderungen Der HR-Tech-Markt bietet global und in DACH noch einige Beispiele für die mittlerweile zunehmenden Übernahmen, Beteiligungen und Partnerschaften. Ebenso wie für die technologischen Innovationen, insbesondere im Bereich KI, sowie die Fokussierung auf Effizienz und Effektivität. Die sich ändernde Demografie und die neue Generation von Mitarbeitenden wirken darüber hinaus als Katalysatoren für Veränderung und Entwicklung. Was früher als bewährt galt, ist für die neue Arbeitswelt eher ungenügend. Daraus schöpfen die HR-Tech-Anbieter ihr Potenzial. Im Spannungsfeld zwischen Innovation und Konsolidierung bleiben digitale HR-Lösungen auch weiterhin der Schlüssel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. ELKE SINGLER ist Software-Analystin und Beraterin und behält den Markt für HR Tech im Blick.

11 Startups Von Jens Bender Auch in diesem Jahr gibt es viele spannende Startups im HR-Tech-Bereich zu entdecken. Dazu hat zum einen der Boost durch neue KI-basierte Technologien beigetragen, der Lösungen von Startups in der Anwendung weiter vereinfacht und produktiver macht. Zum anderen gibt es zahlreiche neue Angebote für die Frontline Workforce sowie Lösungen für Recruiting und Retention. Wir stellen zehn HR-Tech-Startups vor, die den Wandel der Arbeitswelt vorantreiben und Unternehmen helfen, die richtigen Mitarbeitenden zu finden, zu binden und zu entwickeln. Zehn HR-TechStartups, die man kennen sollte

12 HR-Software Personalgewinnung: Catch Talents Catch, ein Recruiting-Startup aus Köln, entwickelt eine datenbasierte und auf KI gestützte Plattform zur automatisierten Bewerbersuche und Ansprache. Die Plattform verbreitet Stellenanzeigen auf über 600 Kanälen und optimiert das Targeting automatisch, um passende Kandidatinnen und Kandidaten zu finden und anzusprechen. Das reduziert den manuellen Aufwand und die Kosten im Vergleich zu traditionellen Methoden. Catch Talents ermöglicht eine effiziente Verwaltung und Übersicht aller Bewerbungen, um die besten Kandidatinnen und Kandidaten schnell und zielgerichtet zu identifizieren. Die Herausforderung ist, sich im Wettbewerb der sehr vielen in diesem Bereich aufkommenden KI-basierten Lösungen bei Unternehmen und Talenten durchzusetzen. Learning: Learned Das niederländische Startup Learned bietet eine umfassende Lern- und Entwicklungsplattform insbesondere für KMU an. Die Plattform setzt – für KMU bisher kaum üblich – auf Skills auf und erleichtert Performance Management, Mitarbeiterentwicklung und kontinuierliche FeedbackProzesse. Mit personalisierten Lernpfaden und Echtzeit-Datenanalysen unterstützt das Startup Unternehmen dabei, die Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden gezielt zu fördern und deren berufliche Entwicklung zu optimieren. So verbessert Learned die Mitarbeiterbindung und -leistung, indem es eine Kultur des kontinuierlichen Lernens und Wachstums schafft. Interessant ist, ob KMU schon bereit für das Thema Skills sind. personalmagazin HR-Software 2024 Personalgewinnung: Crafthunt Auf die Baubranche fokussiert sich das Startup Crafthunt mit seiner Plattform. Das Startup verbindet Bauunternehmen mit qualifizierten Fachkräften, erleichtert die Jobsuche und beschleunigt den Bewerbungsprozess auch im relevanten Ausland über einfache Bewerbungen ohne Anschreiben oder CV, die mithilfe von KI aus der Muttersprache direkt in die Landessprache übersetzt werden. Künftig plant Crafthunt neben der Ansprache passender Zielgruppen im Ausland und deren Bewerbung auch weitere handwerkliche Berufe außerhalb der Baubranche zu erschließen. Es wird interessant zu beobachten, ob der stark branchenspezifische Ansatz von Unternehmen und ausländischen Talenten wertgeschätzt wird. Personalgewinnung: Worcay Das Startup aus Koblenz schafft einen Marktplatz für Work-and-Travel-Erlebnisse, der zugleich den eklatanten Mangel an Arbeitskräften im Tourismus und der Gastronomie lindern soll. Die Lösung von Workay bietet Unternehmen eine schnelle und einfache Personalbeschaffung und ermöglicht jungen Reiseinteressierten, aber auch solchen, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, ein sicheres und organisiertes Arbeiten und Reisen. Die Plattform verbindet die Bedürfnisse von Unternehmen und Reisenden und schafft positive Erlebnisse – etwa an der Küste oder in Ski- und Wandergebieten. Finden sich mit überschaubarem Marketing ausreichend Talente, die die Arbeit in Urlaubslocations spannend finden? Berufsorientierung: Stick To Stick To hat eine innovative App zur Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 bis 13 entwickelt. Die App ermöglicht ihnen, über 1.300 Berufe spielerisch zu entdecken und Informationen zu Ausbildung, Gehalt und Arbeitsalltag zu erhalten. Durch Swipen erstellen die Nutzerinnen und Nutzer ein Interessensprofil und können sich direkt mit passenden Unternehmen verbinden, Fragen stellen und sich bewerben. Stick To zielt darauf ab, den Entscheidungsprozess für die Berufswahl zu vereinfachen und Unternehmen zielgerichtet mit potenziellen Auszubildenden zu vernetzen. Es wird spannend, ob die App auch die Zielgruppe der jungen Talente von sich überzeugen kann.

13 Startups Onboarding: Bounti Das Startup bietet eine mobile-first Plattform für Frontline Workers, die Unternehmen bei der Einarbeitung und Entwicklung ihrer Beschäftigten unterstützt. Die Plattform automatisiert den Onboarding-Prozess, sorgt für eine konsistente und personalisierte Einführung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und erleichtert die Integration in die Unternehmenskultur. Durch personalisierte und mittels KI automatisierte Trainingspläne sowie durch kontinuierliches Feedback steigert Bounti die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung. Sind KMU schon bereit für stark digitalisierte und personalisierte Trainingsinhalte oder benötigen sie zunächst eine Basisdigitalisierung? Mental Health: Likeminded Likeminded ist eine digitale Plattform für mentale Gesundheit am Arbeitsplatz. Die Plattform bietet personalisierte Unterstützung durch Einzelgespräche mit ausgebildeten Psychologinnen und Psychologen, Therapeutinnen und Therapeuten. Sie beinhaltet Gruppensitzungen, Webinare und On-Demand-Inhalte. Ziel ist es, Überarbeitung und Burnout zu verhindern und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu fördern. Likeminded kombiniert KI-gestützte Empfehlungssysteme mit skalierbaren Formaten, um maßgeschneiderte mentale Gesundheitslösungen bereitzustellen. Nun gilt es zu beobachten, ob sich das Startup auch im internationalen Wettbewerb durchsetzen kann. Gesundheit: Bloom Bloom, früher bekannt als Mindsurance, greift mit seiner Plattform die enormen Produktivitätsausfälle aufgrund von Krankheiten und Abwesenheiten auf und reduziert diese durch gezielte Analyse und passende Angebote. Das Startup nutzt datenbasierte Einblicke, um die physische und mentale Gesundheit der Mitarbeitenden zu stärken und Fehlzeiten zu reduzieren. Mit personalisierten Programmen für mentale und körperliche Gesundheit unterstützt das Start- up Unternehmen dabei, die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu fördern. Gelingt es Bloom, aus datenbasierten Analysen die richtigen Maßnahmen abzuleiten, um so Krankenstand und Produktivitätsverluste zu verringern? Benefits: Dyno Das Startup aus Offenburg denkt das Thema betriebliche Altersvorsorge neu und bringt somit Schwung in ein vernachlässigtes Thema. Dyno entwickelt eine Plattform, die die Verwaltung von Firmenpensionen effizienter macht und so Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr von ihren eingezahlten Beiträgen für die Altersvorsorge sichert. Der Verwaltungsaufwand für Unternehmen wird reduziert, Vermittler und deren Provisionen werden zum Teil durch Automatisierung ersetzt und so die Rentabilität erhöht, indem hohe Maklerprovisionen vermieden werden. Schafft es Dyno, das verstaubte Thema zu einem relevanten Benefit zu machen? Benefits: Onuava Das Startup bringt mit dem Thema „Fertility and Family Building Benefits“ ein für Familien sehr wichtiges, aber in Unternehmen bisher tabuisiertes Thema auf die Benefits-Agenda. Onuava bietet Zugang zu qualifizierten Fruchtbarkeitsberatungen, finanzieller Unterstützung für Behandlungen und maßgeschneiderter Beratung zu Fruchtbarkeitsoptimierung und -behandlungen. Mit dem Angebot zielt man darauf ab, die mentale Gesundheit zu verbessern, die Mitarbeiterbindung zu erhöhen und eine inklusive und familienfreundliche Unternehmenskultur zu fördern. Es wird spannend zu sehen, wie schnell ein Benefit, der in anderen Ländern bereits zum Standardangebot gehört, im deutschsprachigen Raum angenommen wird. JENS BENDER ist Geschäftsführer von Work Tech Advisory und Mitinitiator des HR Angels Club. Er berät HR-Tech-Anbieter von Startups, über Scaleups bis zu etablierten Firmen und Investoren bei Marktbearbeitung und der Produkt- und Strategieentwicklung. Er kennt den HR-Softwaremarkt seit vielen Jahren.

HR-Software 14 personalmagazin HR-Software 2024 Interview Daniela Furkel Künstliche Intelligenz bietet dem Personalbereich viele Erleichterungen, bringt aber auch zahlreiche Gefahren mit sich. Welche neuen Verantwortungen auf HR zukommen, welche Handlungsempfehlungen sich dadurch ergeben und wie der Ethikbeirat HR Tech unterstützt, erläutert Professor Bernd Irlenbusch. KI und Ethik: Was auf HR zukommt Personalmagazin: KI findet immer öfter Einsatz in HR-Prozessen. Welche ethischen Herausforderungen ergeben sich daraus? Bernd Irlenbusch: Wir unterscheiden fünf Bereiche, in denen sich ethische Herausforderungen aus dem Einsatz von KI ergeben, wobei sich diese überlappen. Erstens Diskriminierung und Fairness: Wie kann sichergestellt werden, dass die durch KI-Anwendungen betroffenen Menschen nicht nach ungewollten Kriterien diskriminiert und unfair behandelt werden? Zweitens Transparenz und Erklärbarkeit: Die von einer KI getroffenen Entscheidungen müssen nachvollziehbar sein und auch erklärt werden können. Drittens Verantwortlichkeit und Kontrolle: Wer ist für die von einer KI getroffenen Entscheidungen verantwortlich? Können diese überprüft und revidiert werden? Viertens Datenschutz und Sicherheit: Wie können private Daten geschützt werden – auch vor böswilligen Angriffen? Fünftens Verlässlichkeit und Schutz: Wie kann sichergestellt werden, dass die KI das tut, was sie soll, und dass keine Schäden von ihr ausgehen? Bernd Irlenbusch ist Informatiker, Volkswirt und Kaufmann. Der Professor für Unternehmensentwicklung und Wirtschaftsethik ist Principal Investigator des Exzellenzclusters Econ- tribute, Sprecher des Centers for Social and Economic Behavior an der Universität zu Köln und Mitglied im Ethikbeirat HR Tech.

Künstliche Intelligenz 15 Wozu würden Sie raten: Wie können Unternehmen sicherstellen, dass KI-gestützte HR-Systeme fair und transparent sind? KI-Anwendungen müssen durch kontinuierliche Audits – gegebenenfalls durch zertifizierte Dritte – auf ihre Anfälligkeit zur Diskriminierung in unterschiedlichen Dimensionen getestet werden. Beim Thema Fairness ist es zunächst wichtig, sich im Unternehmen über die anzuwendenden Fairnessnormen im Klaren zu werden und festzulegen, welche Fairnessnorm bei einer KI-Anwendung für welche Art von Entscheidung zum Einsatz kommen soll. Zum Beispiel: Soll bei Neueinstellungen rein die Qualifikation zählen oder soll der Anteil von Männern und Frauen gewichtet werden? Über diese ergebnisorientierten Fairnessnormen hinaus spielt aber auch prozedurale Fairness, wie Transparenz, eine entscheidende Rolle. Transparenz darüber, welche Daten gesammelt werden, oder Transparenz darüber, dass jemandem gerade von einer KI geholfen wird, verstehen sich aus ethischer Sicht von selbst. Nehmen Sie zum Beispiel durch eine KI individuell gestaltete Stellenanzeigen. In sozialen Netzwerken ist es mittlerweile üblich, Stellenanzeigen zu versenden, die unter gezielter Nutzung von frei zugängigen Daten über Zielpersonen von einer KI gestaltet werden. Bei den Zielpersonen soll der Eindruck entstehen, dass das Unternehmen sich besonders mit ihnen beschäftigt hat und gerade sie gewinnen will. In der Konsequenz fühlen sich die Zielpersonen individuell angesprochen. In diesen Fällen scheint es mir ein ethisches Gebot der Transparenz, dass die Verwendung einer KI kenntlich gemacht wird. Was ist mit der berühmten „Black Box“ bei KI-Anwendungen? Wie kann da mehr Transparenz hergestellt werden? Unter dem Begriff KI verbergen sich viele Algorithmen mit unterschiedlichen Komplexitätsgraden. „White-Box“-Modelle umfassen nur wenige einfache Regeln, die zum Beispiel als Entscheidungsbaum oder einfaches lineares Modell mit wenigen Parametern dargestellt werden. Deshalb können die Prozesse hinter diesen Algorithmen normalerweise von Menschen verstanden werden. Im Gegensatz dazu verwenden sogenannte „Black-Box“-Modelle zum Teil Tausende von Entscheidungsbäumen oder unüberschaubar viele Parameter. Sie sind in ihren Entscheidungen und Vorhersagen mitunter deutlich präziser als „White-Box“-Modelle. Allerdings können ihre Ergebnisse viel schwieriger von Menschen nachvollzogen werden. Es ergibt sich also ein Präzisions-/ Transparenz-Tradeoff. Bei jeder Anwendung in HR sollte geprüft werden, ob der Einsatz von „Black-Box“-Modellen mit ihrer hohen Intransparenz wirklich deutlich bessere Entscheidungen bringt und somit gerechtfertigt ist. Teilweise ist der Unterschied zu „White-Box“-Modellen nicht groß, sodass mit deren Einsatz eine gute und transparentere Entscheidung gewährleistet ist. Und wenn doch „Black-Box“-Modelle zum Einsatz kommen? Dann ist es meist schwierig, die Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Sollte eine solche KI zum Beispiel bei einer Beförderungsentscheidung eingesetzt werden, so wird es einer Kollegin oder einem Kollegen, die oder der nicht befördert wurde, nicht reichen, zu hören, dass die KI so entschieden hat. Vielmehr möchte sie oder er wissen, welche Kriterien ausschlaggebend waren und warum sie nicht als erfüllt angesehen wurden. Neuere Forschungsansätze versuchen, auch für Entscheidungen von „Black-Box“- Modellen Erklärungen zu liefern, die Menschen nachvollziehen können. Diese Ansätze werden unter dem Begriff „Explainable Ihr vierter Punkt war Datenschutz und Sicherheit. Welche Fragen stehen da im Fokus? In diesem Kontext gibt es zahlreiche Fragen, die zum Teil auch von der jeweiligen Anwendung abhängen. Tendenziell arbeiten KI-Anwendungen umso präziser, je mehr Daten zur Verfügung stehen. Ist es daher ethisch erlaubt, möglichst viele Daten über Personen zu erheben und diese auch zusammenzuführen, um die Vorhersagekraft der KI zu erhöhen? Betrachten wir zum Beispiel ein Einstellungsverfahren. Hier ist es naheliegend, Daten aus verschiedenen Quellen, wie Lebensläufen, Interviews und sozialen Netzwerken, zu sammeln und zusammenzuführen. Ist sichergestellt, dass die Bewerberinnen oder Bewerber der Erhebung der einzelnen Daten zugestimmt haben? Haben sie auch der Zusammenführung der Daten zugestimmt, durch die ein ganz neuer Blick auf die jeweilige Person geworfen werden kann? Haben Sie noch ein Beispiel? Ein anderes Beispiel ist die Erhebung von Leistungskennzahlen und Arbeitsergebnissen. Auch hier muss sichergestellt sein, dass die Mitarbeitenden zustimmen – auch der Zusammenführung dieser Daten mit anderen persönlichen Daten. Hier stellt sich die Frage: Wo sind die Grenzen zur Überwachung? Schwierige Datenschutzprobleme ergeben sich auch immer, wenn personenbezogene Daten verwendet werden, um die KI zu trainieren und zu verbessern. Letzteres kann insbesondere dann problematisch sein, wenn die KI von einem externen Anbieter stammt, der sich den Zugriff auf Eingabedaten offenhält, um sein KI-Produkt zu optimieren. Wird dies vom Anbieter zur Bedingung gemacht, ist Vorsicht geboten. Sie sprachen auch das Thema Diskriminierung an. Was ist hierbei die größte Herausforderung? Mit Blick auf Diskriminierung muss man verstehen, dass KI-Systeme mit Daten trainiert werden, welche aus von Menschen getroffenen Entscheidungen resultieren. Diese Daten enthalten im Allgemeinen menschliche Verzerrungen und Vorurteile bezüglich bestimmter Merkmale. Diese werden von der KI übernommen. Falls in den Trainingsdaten zum Beispiel eher männlich klingende Vornamen bevorzugt werden oder wenige Datenpunkte mit weiblich klingenden Vornamen enthalten sind, benachteiligt die KI in Bewerbungsprozessen möglicherweise Lebensläufe mit weiblich klingenden Vornamen, wie es in einem bekannten Fall bei Amazon vor mehr als sechs Jahren bekannt wurde. Es ist also nicht garantiert, dass die KI vorurteilsfreier entscheidet als der Mensch. Auch das Ausblenden der Merkmale vor der KI hilft im Allgemeinen nicht weiter, da bestimmte Merkmale häufig über andere Informationen von der KI erschlossen werden können, etwa über Hobbys, die eher von Frauen ausgeübt werden. Was kann der HR-Bereich dagegen tun? Solche Verzerrungen können nur durch nachträgliche umfangreiche Tests, sogenannte Audits, aufgedeckt werden – insbesondere dann, wenn die Trainingsdaten von der Entwicklungsfirma der KI nicht offengelegt werden. Dass dann Korrekturen möglich sind, kann man gleichzeitig aber auch als Stärke der KI ansehen, denn anders als beim Menschen, sind Verzerrungen oder Diskriminierungen mithilfe von Tausenden von Abfragen im Prinzip aufdeckbar. Dies muss dann allerdings auch geleistet werden.

HR-Software 16 personalmagazin HR-Software 2024 AI“ zusammengefasst. Dann können zum Beispiel für einzelne Kompetenz-Dimensionen Aussagen getroffen werden, wie: „Wenn Sie auf der Kompetenzdimension X einen Wert von Y erreicht hätten, wären Sie befördert worden.“ Andere Ansätze setzen eine zweite KI ein, um die Entscheidungen einer anderen KI für den Menschen verständlich zu machen. Die Ansätze der „Explainable AI“ befinden sich noch in den Kinderschuhen und es gibt begründete Zweifel daran, dass es je gelingen wird, Entscheidungen der „Black-Box“-Modelle für Menschen verständlich darzustellen, da die hohe Zahl der Parameter geistig nicht fassbar ist. Welche Rolle spielen menschliche Entscheidungsträger in einer von KI unterstützten HR-Umgebung? Das hängt stark davon ab, wofür welche KI im HR zum Einsatz kommt. Sollen von der KI Entscheidungen getroffen werden, die die Lebensverläufe von Bewerbenden oder Mitarbeitenden signifikant beeinflussen, sollte die KI aus meiner Sicht ausschließlich als Ratgeber verwendet werden. Das heißt, menschliche Entscheidungsträger haben das letzte Wort. Entscheidungen einer KI sollten im HR-Bereich von einer oder mehreren Personen kontrolliert werden, die auch korrigierend eingreifen können. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es aus meiner Sicht aus ethischer Perspektive unmöglich, dass eine KI die Verantwortung für eine Entscheidung übernimmt. Dies müssen menschliche Entscheidungsträger sein. Die Verantwortung komplett auf die Entwickler einer KI zu übertragen, scheint mir zum jetzigen Zeitpunkt auch fragwürdig. In diesem Zusammenhang sollte auch darauf hingewiesen werden, dass eine KI immer eine vergangenheitsorientierte Entscheidung trifft, da sie auf Daten trainiert ist, die bereits existieren. Aktuelle oder zukünftige Entwicklungen können beim jetzigen Stand der Technik wahrscheinlich nur unzureichend von der KI berücksichtigt werden. So erfordert eine neue Unternehmensumgebung, mit der die KI keine Erfahrung hat, möglicherweise neue Kompetenzen der Mitarbeitenden, über deren Notwendigkeit die KI mangels Daten keine Aussage treffen kann. KI bringt aber nicht nur Risiken, sondern auch Chancen mit sich. Welche Vorteile bieten KI und automatisierte HR-Tools für die Mitarbeitererfahrung? Aus meiner Sicht lassen sich die Chancen des Einsatzes von KI grob in zwei Kategorien einordnen: Bessere Entscheidungen sowie Kostenreduktion beziehungsweise Zeitersparnis. In Zeiten von Fachkräftemangel sind Unternehmen immer mehr darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeitenden möglichst passgenau bei denjenigen Aufgaben zum Einsatz kommen, für die sie motiviert sind, die ihnen liegen, für die sie gut geeignet und ausgebildet sind. Hier sehe ich zunächst die größten Chancen für den Einsatz von KI. Es ist zu erwarten, dass wir durch KI-Unterstützung diese Zuordnung stark optimieren können. Darüber hinaus kann KI fehlende Kompetenzen bei einzelnen Personen frühzeitig identifizieren und HR kann helfen, diese aufzubauen. Das heißt, auch für die Beschäftigten gibt es positive Folgen? Ja. Wenn die Systeme gut funktionieren, sollten sie somit auch die „Employee Experience“ verbessern, denn es können den jeweiligen Mitarbeitenden in kürzerer Zeit passgenauere und individuell zugeschnittene Job- und Qualifizierungsangebote gemacht werden. In diesem Zusammenhang gibt es bereits erste KI-Ansätze für „Frühwarnsysteme“ im Bereich Mitarbeiterbindung. Die KI identifiziert Personen, bei denen es eine höhere Wahrscheinlichkeit gibt, dass sie das Unternehmen zu verlassen drohen – sei es, weil sie eine inhaltlich neue Herausforderung suchen, bessere Gehaltsangebote von außen bekommen können oder den nächsten Karriereschritt machen möchten. Hier kann HR dann gezielt individuell auf die jeweiligen Personen zugehen und gemeinsam Vorschläge erarbeiten, die den Verbleib im Unternehmen ermöglichen. KI-Systeme können auch als digitale Assistenten fungieren, zum Beispiel beim Onboarding. Und die negativen Folgen? Entfremdung kann ein Problem werden. Wichtig sind hier aus meiner Sicht zwei Dinge: erstens das Gespräch zwischen den Mitarbeitenden und der persönliche Kontakt, auch zum HR-Bereich. Zweitens ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden Vertrauen zu den eingesetzten KI-Systemen bekommen. Um das zu erreichen, müssen die eingesetzten KI-Systeme vertrauenswürdig sein. Nichts ist schlimmer als die Erfahrung, dass die KI schlecht oder sogar falsch berät oder nicht funktioniert. Des Weiteren müssen die eingesetzten KI-Systeme die bereits genannten ethischen Mindestanforderungen erfüllen. Dem Unternehmen kommt auch eine besondere Aufklärungspflicht zu, das heißt, die Mitarbeitenden müssen besser verstehen lernen, wie die eingesetzte KI arbeitet und was von ihr erwartet werden kann. Aus meiner Sicht ist dies entscheidend für Vertrauen zur KI. Welche Maßnahmen sollten Unternehmen ergreifen, um sicherzustellen, dass KI-gestützte HR-Systeme die Privatsphäre der Mitarbeitenden respektieren und ihre Daten angemessen schützen? Zunächst sollte bei jeder Verarbeitung personenbezogener Daten geklärt werden, zu welchem Zweck die Daten erhoben werden und ob für diesen Zweck nicht weniger Daten ausreichen. Wenn Prozesse der Datenverarbeitung aufgesetzt werden, ist die Einbindung von Mitarbeitervertretungen und Datenschutzbeauftragten sowie die Einhaltung der DSGVO unerlässlich. Die vereinbarten Bestimmungen sollten in einer verständlichen Datenschutzrichtlinie festgehalten werden. Hier sind die folgenden Fragen zu beantworten: Wer hat das Recht, welche personenbezogenen Daten zu erheben und zu erfassen? Wer darf die Daten in welcher Weise anpassen, verändern oder verknüpfen? Wer darf welche Daten abfragen oder verwenden? Wer hat die Pflicht, welche Daten zu welchem Zeitpunkt zu löschen oder zu vernichten? Zusätzlich müssen geeignete Schutzmaßnahmen die Einhaltung der spezifizierten Rechte und Pflichten ermöglichen und sicherstellen, insbesondere durch das Protokollieren der einzelnen Zugriffe. Es sind sichere Speicherorte zu garantieren, ob intern oder extern, die vor Verlust der Daten und so weit wie möglich vor Angriffen schützen. Für besonders sensible Daten erscheint mir auch eine Verschlüsselung personenbezogener Daten im HR-Bereich zwingend. Gibt es für die Datenspeicherung eine Empfehlung? Für Datenbanken personenbezogener Daten, die zum Zweck des Trainierens einer KI gehalten werden, entstehen gerade neuere vielversprechende Ansätze, wie der Standard des „differential privacy“. Die Daten einer Person werden dabei stochastisch so abgeändert, dass die KI zwar noch aus den Daten lernen kann, eine Rückverfolgung auf die einzelne Person aber quasi nicht mehr möglich ist. Unter gewissen Voraussetzungen gilt dies sogar dann,

Künstliche Intelligenz 17 wenn mehrere Datensätze derselben Person zusammengeführt werden. Meiner Meinung nach sollte dieser Ansatz bei personenbezogenen Daten im HR systematisch zum Einsatz kommen. Sie sind Mitglied des Ethikbeirats HR Tech. Welche Rolle nimmt dieser bei der Regulierung von KI in HR-Systemen ein? Der Ethikbeirat HR Tech möchte Hilfestellungen für HR und Mitarbeitende geben, um eine ethisch fundierte und verantwortungsvolle Anwendung von neuen Technologien im Unternehmen zu ermöglichen. Die Hilfestellungen werden zum einen in zehn Richtlinien gegeben, die in einem umfangreichen Diskurs von Theorie und Praxis entwickelt wurden und in Zukunft weiterentwickelt werden. Die Themen der Richtlinien sind: transparenter Zielsetzungsprozess, fundierte Lösungen, Menschen entscheiden, notwendiger Sachverstand, Haftung und Verantwortung, Zweckbindung und Datenminimierung, Informationspflicht, Achten der Subjektqualität, Datenqualität und Diskriminierung, stetige Überprüfung. Aufbauend auf diesen Richtlinien hat der Ethikbeirat HR Tech zu Beginn dieses Jahres den „Ethik Check KI“ veröffentlicht – ein frei zugängliches und kostenloses Tool, mit dem HR eine verwendete KI auf die Vereinbarkeit mit ethischen Grundsätzen prüfen kann. Inwiefern sind diese zehn Richtlinien mit dem EU AI Act vereinbar? Die Richtlinien des Beirats sowie der Ethik Check KI basieren bislang auf freiwilligen Empfehlungen und nehmen bereits viele Vorschriften des EU AI Act vorweg. Inwieweit die Empfehlungen des Beirats Überschneidungen mit den zukünftig bindenden Vorschriften des EU AI Act haben, dahinter zurückbleiben oder sogar darüber hinausgehen, muss aus meiner Sicht bis zur Rechtswirksamkeit des EU AI Act in einem nächsten Schritt durchdacht und geklärt werden. Wie hat der EU AI Act die Diskussion über den Einsatz von KI in HR-Systemen verändert? Aus meiner Sicht ist die entscheidende Neuerung für HR, dass der EU AI Act risikobasierte Regelungen für KI-Anwendungen vorsieht, das heißt die Einteilung in Risikoklassen. Für jede Klasse werden Anforderungen an Entwicklung und Anwendung gestellt. KI-Anwendungen, die in HR zum Einsatz kommen, werden zum Teil als sehr risikoreich eingestuft. Hierzu zählen Einstellungs-, Beförderungs- oder Kündigungsentscheidungen, die Zuweisung von Aufgaben auf der Grundlage von individuellem Verhalten oder persönlichen Eigenschaften sowie die Überwachung und Bewertung von Leistung und Verhalten. Als Begründungen führt der EU AI Act an, dass Berufsaussichten und Lebensunterhalt von Personen sowie Grundrechte auf Datenschutz und Privatsphäre stark beeinflusst oder existierende Diskriminierungen wie oben beschrieben fortgesetzt werden. Inwiefern fördert der EU AI Act den verantwortungsvollen Einsatz von KI in HR-Systemen? Er erlegt den Anbietern und Anwendern umfassende Pflichten auf, wenn die KI als hochriskant klassifiziert wird. Anbieter müssen hohe Anforderungen insbesondere an Transparenz, Datenqualität und Zuverlässigkeit garantieren. Anwendende Unternehmen haben Pflichten bezüglich Aufklärung gegenüber den Beschäftigten über die eingesetzten KI-Anwendungen und regelmäßige Audits. Beide Gruppen von Pflichten sind relevant, wenn eigene KI-Anwendungen entwickelt werden. Es bleibt abzuwarten, wie genau die Pflichten in nationales Recht umgesetzt werden und wie sie überprüft werden. Momentan kann ich mir nicht vorstellen, dass reine Selbstverpflichtungen genügen werden. Ob eine eigens dafür eingerichtete staatliche Behörde oder aber Organisationen nach dem Vorbild eines TÜVs für KI-Anwendungen zur Überprüfung geschaffen werden, bleibt abzuwarten. Welche Handlungsempfehlungen leiten Sie daraus ab? Die Auswahl der richtigen KI-Anwendung ist durch den EU AI Act noch wichtiger geworden. Neben altbekannten Forderungen nach Datensicherheit und Compliance, Übereinstimmung mit den Werten und Bedürfnissen des anwendenden Unternehmens sowie Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit sollten nur solche Anwendungen in Betracht gezogen werden, die die Einhaltung der Pflichten für Anbieter umfassend und auch für Laien verständlich dokumentieren. Besonderes Augenmerk würde ich darauf legen, dass Anbieter regelmäßige Audits in Bezug auf Diskriminierung und Zuverlässigkeit durchführen. Ein weiterer wichtiger Aspekt scheint mir zu sein, dass ausgeschlossen wird, dass Anbieter durch ihre Produkte uneingeschränkten Zugriff auf die Daten des Unternehmens bekommen. Klar ist aber auch, dass die Einhaltung der Pflichten für Anwender solch spezifisches Fachwissen erfordert, dass wahrscheinlich nur große Unternehmen in der Lage sein werden, eigene Spezialistinnen und Spezialisten dafür einzustellen, während kleinere Unternehmen dieses Wissen extern einkaufen müssen. „ Die Auswahl der richtigen KI-Anwendung ist durch den EU AI Act noch wichtiger geworden.“

HR-Software 18 personalmagazin HR-Software 2024 Von Gudrun Porath Employee Experience steht in direktem Zusammenhang mit dem Erfolg eines Unternehmens. Technologie und Menschen tragen dazu bei. Das machte die Podiumsdiskussion zum Auftakt der HR Technology Europe in Amsterdam deutlich. Die Kongressmesse feierte im Amsterdamer Messezentrum RAI ihre Premiere auf europäischem Boden. Employee Experience im Fokus Rund 80 Aussteller und ein umfangreiches Vortrags- und Workshop-Programm hatten die Veranstalter für die zweitägige Kongressmesse ins RAI Amsterdam geholt, um damit ein interessiertes internationales Publikum zu begeistern. Bei den auf der Messe vorgestellten Lösungen für Recruiting, Skill Management, Talent Management, HR und Learning ging es häufig darum, wie die Employee Experience mit den vorgestellten Lösungen verbessert werden kann. Deutlich wurde indessen auch, dass es dazu mehr als Technologie braucht. „Die Erfahrung des Personals ist von unschätzbarem Wert, denn sie steht in direktem Zusammenhang mit der Kundenerfahrung. Diese Kundenerfahrung umfasst das, was wir erleben, wenn wir durch einen Flughafen gehen, und die Inhalte, die wir nutzen – zum Beispiel von der BBC und den BBC-Nachrichten. Was wir dort sehen und konsumieren können, wird direkt von der Qualität der Employee Experience beeinflusst“, verdeutlichte Moderatorin Bo Derksen, EMEA-Chefin des Branchenanalysten Josh Bersin Company, die Bedeutung der Employee Experience und leitete damit über zu den Gästen des Eröffnungs-Podiums, zu denen neben Josh Bersin auch Esmé Valk, CHRO der Royal Schiphol Group, und Uzair Qadeer, Chief People Officer der BBC, gehörten. Keine schlüsselfertige Lösung Uzair Qadeer nahm die Zuhörer mit in die Welt der BBC, die sich von einem über 100 Jahre alten Medienunternehmen zu einer öffentlich-rechtlichen Organisation mit einem breit gefächerten Angebot entwickelt hat, das von Radio- und Fernsehsendern über Streaming-Dienste bis hin zu einer Sportorganisation reicht. Für all die verschiedenen Dienste und Angebote und die damit verbundenen Tätigkeiten der mehr als 21.000 Mitarbeitenden gibt es eine zentrale HR-Funktion, die für die einheitliche Strategie verantwortlich ist, die bis vor Kurzem noch auf drei Jahre angelegt war. Als die BBC sowohl wirtschaftlich als auch in der öffentlichen Wahrnehmung unter Druck geriet, wurde ein abrupter Strategiewechsel vollzogen, der den Fokus von einem „Weiter so“ auf die Zukunft lenkte. Um dies zu erreichen, wurde die Organisation in eine „Digital-First-Organisation“ umgewandelt und die Rolle von HR als „Great Place to Work“-Strategie neu definiert. Diese basiert im Wesentlichen auf der Idee, sicherzustellen, dass die BBC der Ort ist, „an dem die besten Leute ihre beste Arbeit in einem erstklassigen Arbeitsumfeld leisten“, so Qadeer. Management-Dashboards, über die rund 89 Prozent aller Anfragen automatisch beantwortet werden, entlasten die Führungskräfte, damit sie sich besser um ihre Teams kümmern, bessere Prognosen erstellen und Ideen entwickeln können. Integrierte Programme sollen Talenten helfen, Erfahrungen zu sammeln, die für ihre Karriere nützlich sind. Eines dieser Programme, „Hot Shoes“ genannt, ermöglicht es Menschen, für einen Zeitraum von zwei Tagen bis zwei Wochen aus ihrem eigentlichen Job auszusteigen und sich einer völlig anderen Tätigkeit zu widmen, etwas Neues zu lernen, sich beruflich neu zu orientieren und so möglicherweise auf eine Beförderung hinzuarbeiten. Ein weiteres Programm, „80/20“, ermöglicht es, zwischen zwei Wochen und sechs Monaten tatsächlich für 20 Prozent der Arbeitszeit aus dem Job auszusteigen und sich systematisch neue Fähigkeiten anzueignen. „Solche Programme können ein ganzes System verändern“, zeigte sich Uzair Qadeer überzeugt. Er warnte davor, Employee Experience als „schlüsselfertige Lösung“ zu sehen oder nach Perfektion zu streben. Entscheidend sei die Festlegung von Messwerten und deren konsequente Bewer-

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==