TAGEN wirtschaft und weiterbildung 4/2016 - page 3

Olaf Feuerstein, Geschäftsführer des
Göttinger Tagungs- und Eventhotels
„Freizeit In“, fand sich eines Morgens
Anfang Februar auf der Titelseite der
„Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen“
wieder. Die regionale Tageszeitung
berichtete über das Hotel, weil ein Gast
sich von einer Servicekraft mit Kopftuch
nicht bedienen lassen wollte und daraufhin
von der Hoteldirektion aufgefordert wurde,
das Haus zu verlassen. Eine junge Auszubildende, die in
Deutschland geboren ist und bei der Arbeit ein Kopftuch trägt,
wurde von einem weiblichen Tagungsgast unter Berufung auf die
Terroranschläge von Paris abgelehnt. Die Frau behauptete, Angst vor
der Kopftuchträgerin zu haben.
„Seit Beginn der Flüchtlingskrise gibt es immer wieder Gäste, die
sich von Menschen mit Migrationshintergrund nicht bedienen
lassen wollen“, berichtet Feuerstein. „Ich habe dem Gast zu
verstehen gegeben, dass das nicht unsere Philosophie ist und dass
sie künftig ein anderes Tagungshaus aufsuchen muss“, so
Feuerstein, der seine Aufgabe darin sieht, sein Personal zu schützen.
Neuerdings hängen im Hotel folgende Hinweise aus: „Wer in
unseren Häusern von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund nicht
bedient werden möchte, den möchten wir auch nicht bedienen.“
Feuerstein hätte die Kopftuchträgerin auch stillschweigend für eine
gewisse Zeit ins Büro oder die Küche „versetzen“ können. Dann
hätte er seine Umsätze nicht in Gefahr gebracht und sich im Internet
und am Telefon einen rassistischen Shitstorm erspart. Nicht wenige
Experten haben allerdings auf dem gerade zu Ende gegangenen
„Coaching-Kongress“ der HAM in Erding darauf aufmerksam
gemacht, dass mangelnder Mut sich zwar kurzfristig lohnen kann,
aber auf lange Sicht dafür sorgt, dass sich im Unbewussten
Schuldgefühle entwickeln und die Tatkraft nachlässt. Feuerstein
hat also nicht nur Rassismus im Keim erstickt, sondern auch sich
selbst und seinem Team etwas Gutes getan (ganz abgesehen davon,
dass ein Veranstalter, der noch nie Kunde des „Freizeit In“ war, sich
kurzfristig entschlossen hat, aus Solidarität mit Feuerstein mehrere
Tagungen nach Göttingen zu verlegen).
Viel Erfolg beim Tagen und viel Spaß beim Lesen
wünscht
Martin Pichler
Chefredakteur „wirtschaft + weiterbildung“
Wer diskriminiert,
wird nicht bedient
editorial
04_2016
Tagen
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