Seite 64 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_07-08

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grundls grundgesetz
64
wirtschaft + weiterbildung
07/08_2014
„Übrigens, Chef, wir haben gerade eine schlechte
Stimmung.“ Vertraulich schmeichelt sich der
Einflüsterer nah an seinen Vorgesetzten heran.
Seine Worte sind kein neutraler Report. Sie trans-
portieren zwei Botschaften. Erstens: „Auf mich,
lieber Vorgesetzter, kannst du dich verlassen.“
Das Zweite ist eine klare, wenn auch versteckte,
Anweisung: „Du allein, lieber Chef, bist für das
Betriebsklima verantwortlich. Jetzt unternimm end-
lich was!“
Sollten Sie auf diese Ansage eingehen oder sie
von sich weisen? Eins steht fest: Gemessen an
diesem Doppelagenten ist sogar das Rumpelstilz-
chen vertrauenswürdig. Ein schwacher Charakter
wird sich überschwänglich für die Vertrauensbe-
kundung bedanken und in hektischen Aktionismus
verfallen. Er wird Einzelgespräche führen oder ein
gruppendynamisches Wochenende anberaumen.
Bringt das etwas? Sicher! Die Frage ist nur, was
genau? Wie ungemein wichtig das Betriebsklima
für das Unternehmen ist, wird ja überall gebets-
mühlenartig gepredigt. Und natürlich ist der Chef
verantwortlich. Heute lästern die Mitarbeiter über
ihre Chefs und lesen Bücher wie „Das Chef-Hasser-
Buch“ oder „Rache am Chef“.
Oft will die Unternehmenskultur aus Führungskräf-
ten Supermänner machen. Die typisch westliche
Personenzentrierung sucht den einen, der es
richten soll. Solches Denken überfordert Führungs-
kräfte und macht Mitarbeiter zu Trommeläffchen.
Wirklich gute Ergebnisse erzielen Sie aber nur,
wenn Ihre Mitarbeiter selbstbestimmt leisten.
Natürlich verantworten Sie die Ergebnisse nach
außen. Nach innen sind Sie aber nicht für alles
verantwortlich. Sie müssen dafür sorgen, dass
jeder freiwillig seinen Teil beiträgt und dass jeder
maximal wachsen kann. Schwierig genug! Persön-
liches Engagement, eigenen Wachstumswillen
und seinen Beitrag zum Klima muss jeder selbst
einbringen. Wer einen permanenten Anschub von
oben braucht, ist selbst der Depp, den er
im Chef beschimpft.
Was ist wichtiger – zu wissen, wie Füh-
rung geht oder dass die Geführten ihr
Einverständnis geben, geführt zu werden?
Richtig: Beides ist gleich wichtig! Beide
sind mächtig. Führungskraft und Mitarbeiter je
zur Hälfte. Führung gibt einen Rahmen und eine
Richtung vor. Wie einer zum Ziel kommt, ist seine
Sache. Hauptsache, alle kommen mit besten
Ergebnissen rechtzeitig an.
Apropos Stimmung: Als schwerstbehinderte Füh-
rungskraft habe ich manch interessante Erfahrung
gemacht. Zu Karrierebeginn hielt mir jeder die Türe
auf. Als ich viele überflügelte, war das vorbei. Ich
hatte sogar einmal einen Chef, der meine positive
Stimmung bremsen wollte. Wo er konnte, rollte er
mir Steine in den Weg. Ich habe mir das eine Weile
stillschweigend angeschaut und weiter Ergebnisse
geliefert. Irgendwann wurde es mir zu dumm. Ich
habe ihm ohne Vorwurf gesagt: „Sie können noch
bis zur Rente so weitermachen. Mich brechen Sie
nicht.“ Von da an hatte ich Ruhe.
Zu jemandem, der eine negative Stimmung verbrei-
tet, gehört auch jemand, der diese annimmt. Das
nächste Mal, wenn einer kommt und Ihnen was von
schlechter Stimmung flüstert, fragen Sie: „Danke
für die Information. Wenn Sie es aber gerade
anprangern: Was haben Sie heute selbst schon
unternommen, dass die Stimmung besser wird?“
Paragraf 27
Vorsicht vor
Stimmungsmachern
Boris Grundl ist Managementtrainer, Unternehmer, Autor sowie Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt,
ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung).
Sein neues Buch heißt: „Die Zeit der Macher ist vorbei. Warum wir neue Vorbilder brauchen.“ (Econ Verlag, 2012, 304 Seiten, 19,99 Euro).
d
Boris Grundl
Zu jemandem, der eine negative
Stimmung verbreitet, gehört auch
jemand, der diese annimmt.