Seite 60 - wirtschaft_und_weiterbildung_11_12_2011

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60
wirtschaft + weiterbildung
11/12_2011
bedauerte gleichzeitig, dass er erst jetzt
darüber reden könne. Früher darüber zu
sprechen, hätte bestimmt andere im Kon-
zern dazu gebracht, auch zu ihren per-
sönlichen Problemen zu stehen und sie
anzupacken.
Dr. Angelika Dammann (ehemals SAP-
Personalvorstand) berichtete über ihre
„sehr schmerzhafte“ Entscheidung, bei
der SAP zu kündigen. Mit ihren Wertvor-
stellungen und ihrer klaren Meinung habe
sie eine große Angriffsfläche geboten. Ihr
waren von einem Kollegen Heimflüge
mit dem Firmenjet zum Vorwurf gemacht
worden, obwohl die ihr vertraglich zu-
gesichert worden waren. Thomas Sattel-
berger, Personalvorstand der Deutschen
Telekom, sagte, Dammann sei für ihn ein
Vorbild für kulturelle Reformen und er-
gänzte: „Ich bin überzeugt, es wurde ihr
bitter mitgespielt. Ich schätze sie außer-
ordentlich!“. Sattelberger bekräftigte die
Forderung Lauers, dass Personaler deut-
licher Position beziehen sollten. So sei er
„sechs Monate lang zu feige gewesen“,
einem seiner früheren Vorstandschefs
ein „So nicht!“ entgegenzuschleudern,
als der ein Zweigwerk schloss, ohne für
Verständnis bei der Belegschaft und der
Öffentlichkeit zu werben.
Sattelberger wies im Übrigen die Vermu-
tung weit von sich, er sei „Opfer der von
ihm eingeführten Frauenquote“ gewor-
den. Er habe bereits vor einem Jahr zu
seinem Aufsichtsratsvorsitzenden gesagt,
dass er nach 40 Berufsjahren Anfang des
Jahres 2012 aufhören werde. Seine Nach-
folgerin sei schon immer seine erste Wahl
gewesen.
Aus dem zweitägigen Diskurs sind fol-
gende (hier verkürzt wiedergegebene)
Thesen der HR-Alliance entstanden:
1.
Unternehmen als gesellschaftliche Ak-
teure und Nutznießer sind gefordert, Bür-
gerpflichten zu erfüllen.
2.
Unternehmen müssen wichtige gesell-
schaftliche Anliegen wie Menschenrechte,
Bildung, Migration, Armutsbekämpfung,
Gesundheit und Chancenfairness aufgrei-
fen und aktiv Verträge und Bündnisse mit
Politik und Zivilgesellschaft schließen.
3.
Den weltweiten Verwerfungen durch
Globalisierung, Staatsrückzug und Wirt-
schaftsverfehlungen müssen Unterneh-
men durch transnationale, nachhaltige
und wertebasierte Unternehmensverfas-
sungen begegnen.
4.
„Enterprise 2.0“ muss durch Werte wie
Transparenz, Teilhabe und Kollaboration
getrieben sein.
5.
Die Bedeutung eines Mitarbeiters wird
– unabhängig von seiner Hierarchiestel-
lung – zunehmend durch seinen produk-
tiven Beitrag im Netz bestimmt.
Martin Pichler
Die Teilnehmer am „ZukunftsForum Per-
sonal“ in München schienen lange auf
eine Gelegenheit zum Austausch mit Kol-
legen gewartet zu haben. Intensiv und
kontrovers arbeiteten sie sich an The-
men wie Burn-out, Diversity oder Enter-
prise 2.0 ab. Überraschend war, dass sich
auch bedeutende Köpfe aus dem Bereich
Human Resources mit großer Offenheit
zu Wort meldeten.
Stefan Lauer (Lufthansa-Personalvor-
stand) ärgerte sich zum Beispiel darüber,
zu lange die Mainstream-Personalpolitik
mitgemacht zu haben. Aus heutiger Sicht
hätte er gerne viel früher darüber gere-
det, wie wichtig Diversity sei und dass er
im Jahr 1997 einen Burn-out hatte, der
zur Folge hatte, dass er fünf Jahre lang
seine Probleme in einer Psychotherapie
bearbeitete. „Ich bin fünf Jahre durch
die Hölle gegangen“, erklärte Lauer und
Sehnsucht nach Offenheit
NACHBERICHT.
Etwa 350 Personaler (Vorjahr: 400) aus ganz Deutschland haben auf
dem Kongress „ZukunftsForum Personal 2011“ der HR-Alliance die Herausforderungen
ihrer Profession diskutiert und sich vorgenommen, mutig gegenüber dem
personalpolitischen Mainstream die Stimme zu erheben.
Podiumsdiskussion mit HR-Größen (v. l.):
Thomas Sattelberger, Angelika
Dammann, Jutta Allmendinger (Moderation) und Stefan Lauer.
Foto:
Pichler