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10_2011
wirtschaft + weiterbildung
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Führungsseminaren inzwischen auch die
Möglichkeit zum Einzel-Coaching. Und
hier wiederum bevorzugten Frauen die
Arbeit mit weiblichen Coaches. Auch als
Gastredner und damit auch als Rollenmo-
delle seien Frauen sehr gefragt. Sollte die
Nachfrage nach Frauenseminaren wieder
steigen, werde man das Thema wieder
aufgreifen.
Ginka Toegel kann sich dagegen nicht
über ein zu geringes Interesse beklagen.
Im Gegenteil. Die Programmdirektorin
des IMD-Kurses konnte ihre 25 Teilneh-
merinnen sogar sorgfältig auswählen
und dabei eine beeindruckend gemischte
Gruppe zusammenstellen. So hatten die
Frauen, die im Oktober 2010 an dem Se-
minar teilnahmen, 16 verschiedene Natio-
nalitäten, kamen aus zwölf Ländern von
Indonesien über Nigeria bis zu den USA
und waren in 14 verschiedenen Branchen
tätig. Alle hatten mindestens zehn Jahre
Berufs- und Managementerfahrung, ei-
nige waren bereits im Vorstand. Für Toe-
gel verfolgen die meisten Schulen einen
falschen Ansatz. „In den Frauensemi-
naren geht es oft um die üblichen Themen
wie Strategie und Marketing“, sagt die
Professorin am IMD. Doch immer wenn
es um Inhalt gehe, profitierten Frauen
mehr vom Austausch mit Männern. „Wie
ich eine Strategie implementiere, lerne ich
besser zusammen mit Männern“, sagt die
gebürtige Deutsche, die an der Universität
Leipzig und der London Business School
promoviert hat. Vor knapp zwei Jahren
hat sie daher das IMD-Seminar komplett
neu konzipiert: „Wir fokussieren uns auf
die Themen, wo Frauen schlechter sind
als Männer.“
„Die Frauen fragen einfach
zu wenig“
So zeige die Forschung, dass Frauen vier
Mal weniger fragen als Männer. „Also dis-
kutieren wir darüber, welche Folgen das
hat“, sagt die promovierte Psychologin.
Zum Beispiel bei der Gehaltsverhand-
lung. Laut US-Studien fangen MBA-Ab-
solventinnen mit 10.000 Dollar weniger
Gehalt an als ihre männlichen Kollegen.
Im Laufe einer 30-jährigen Karriere ku-
muliert sich das auf eine Million Dollar.
„Und das nur, weil sie nicht oft genug
fragen“, sagt die Professorin. Auch beim
Netzwerken seien Männer einfach bes-
ser. „Also kümmern wir uns um dieses
Thema intensiv“, sagt Toegel. Dabei sol-
len die Teilnehmerinnen zunächst erken-
nen, nach welchen Prinzipien sie derzeit
Netzwerke aufbauen. „Manche machen
sich bei den anderen beliebt, andere po-
sitionieren sich als Experten“, erklärt die
Professorin. So manche Teilnehmerin sei
dabei erst mal erstaunt über ihre Strategie
und allein diese Erkenntnis sei schon ein
wichtiger Schritt. Das individuelle Vorge-
hen beim Netzwerken werde im Hinblick
auf bestimmte Situationen analysiert, in
denen Netzwerke besonders wichtig sind,
zum Beispiel beim Wiedereinstieg von
Frauen.
„Wir wollen also bestimmte Fertigkeiten
verbessern“, sagt Toegel. Dabei kon-
zentriere man sich weniger auf die Stär-
ken von Frauen. Denn jede Stärke habe
schließlich auch ihre Schwäche. So sei
Selbstsicherheit zwar eine großartige
Stärke, mit der eine Frau sichtbar werde.
Aber eine dominante Person gelte auch
als jemand, der andere schnell überfährt.
Genauso könne Optimismus dazu führen,
dass man mögliche Bedrohungen nicht
wahrnehme. „Man muss also immer vor-
sichtig sein mit der anderen Seite“, so die
Professorin.
Schon vor dem Seminar müssen die Teil-
nehmer einen Persönlichkeitstest machen.
Im Seminar wird dann über Persönlich-
keitsprofile gesprochen und wie sie mit
Führung verbunden sind. „Wir diskutie-
ren über die Implikationen für die eigene
R