Future Skills 9 Passen diese Wünsche zur Nachfrage der potenziellen Arbeitgeber? Gute Anhaltspunkte dafür liefern zum Beispiel die Future Skills, eine Art Metaframework für Zukunftskompetenzen, das die Unternehmensberatung McKinsey zusammen mit dem Stifterverband entwickelt hat. Auch hier spielt Digital Literacy eine gewichtige Rolle. Eine Besonderheit des Frameworks sind die transformativen Skills: Dialog- und Konfliktfähigkeit, Veränderungsfähigkeit, Urteilsfähigkeit, Innovationskompetenz und Missionsfähigkeit. Diese Kompetenzen sind ein Destillat aus dem Lernkompass der OECD, der Global Skills Taxonomy des World Economic Forums, der digitalen Skills aus der Initiative D21 sowie der Kompetenzen für die Arbeitswelt 4.0 der Bundesagentur für Arbeit. Auch die 17 Sustainable Development Goals der UN haben Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Bildung berücksichtigt. Zudem wurden 500 Organisationen befragt. Mannheimer B-School setzt auf Konstanz Derartige Frameworks nehmen Business Schools zwar zur Kenntnis, sie sind aber nur eine Facette ihrer Marktforschungsaktivitäten. Beispiel Mannheim Business School: Dort sieht man den Rummel um vermeintliche Zukunftskompetenzen gelassen. „Wir möchten den Studierenden beibringen, strategisch zu denken. Das heißt, wir haben einen generalistischen Ansatz – und werden diesen auch weiterhin verfolgen“, betont Chief Market Officer Kai Stenzel. Die erste Welle der Digitalisierung Anfang der 2000er Jahre, dann der Aufstieg von Plattformen wie Udacity, Coursera oder Nano Skills – diese Trends hin oder her, in Mannheim fokussiere man sich auf die Basis von Transformation: „Studierende müssen Problemstellungen aus verschiedenen Perspektiven betrachten und lösen können.“ Die Mannheimer haben vor einigen Jahren eine „Markets Area“ aufgebaut, in der alle marktorientierten Funktionen gebündelt sind. Dort erhebe man systematisch Informationen über Wünsche von Studierenden und Unternehmen sowie über Aktivitäten der Wettbewerber und leite daraus Maßnahmen ab. Natürlich gebe es thematische Veränderungen. Im Management gehe es nun darum, die Supply Chain, das Accounting und die gesamte Strategie im Hinblick auf Nachhaltigkeit zu betrachten. Das ändere aber nichts an den Managementmethoden. Nach dem Modell „Leading myself, leading my team und leading my company” lernten die Studierenden, wie sie auf verschiedenen Ebenen mit einem dynamischen Umfeld umgehen können. Ansonsten hält Kai Stenzel von vermeintlichen Leadership-Trends wie Digital oder Remote Leadership wenig. „Vieles ist alter Wein in neuen Schläuchen.“ Beim Thema Digitalisierung sei es essenziell, die Wirkweise von Tools zu verstehen und zu wissen, was man damit in Unternehmen bewirken kann. Bis ins Detail beherrschen müsse man sie nicht. Das gelte auch für ChatGPT, auch wenn derartige Chatbots bei Klausuren erst einmal nicht explizit ausgeschlossen seien. „Wir wissen um die Aktualität und Tragweite des Themas“, so Kai Stenzel. Aber den General-Management-Ansatz lasse man dafür nicht sausen, im Gegenteil. „Wir werden zum Beispiel im MBA einen Track für Analytics und AI anbieten für Studierende, die sich diesen Themen vertieft widmen wollen.“ Zudem hat die Mannheim Business School seit sechs Jahren Kurse wie „From Data to Insights“ oder „Data for Managers“ im Programm. ESMT möchte KI-Technologien umarmen „Wir diskutieren derzeit den Einsatz von ChatGPT und ähnlichen KI-Technologien, um die Problemlösungsfähigkeiten unserer Studierenden zu unterstützen“, betont Rebecca Loades, MBA Director der ESMT Berlin. Die Idee sei nicht, die Technologie als unerlaubte Quelle bei Prüfungen zu bekämpfen, sondern sie zu umarmen. Auch die Dozentinnen und Dozenten werden ermutigt, die Lehrpläne zu aktualisieren. Insbesondere der Studiengang Managerial Analytics bereitet die Studierenden auf die evidenzbasierte Entscheidungsfindung vor. Nach Abschluss des Tracks werden sie mit Methoden vertraut gemacht, die den Einsatz moderner Analytik wie maschinelles Lernen in der Managementpraxis fördern. „Solche Fähigkeiten wurden traditionell nicht als Kern der MBA-Ausbildung angesehen“, so Rebecca Loades. An der ESMT sehe man das inzwischen aber etwas anders: Grundelemente sind in das Kernmodul integriert, sodass auch die Studierenden, die sich nicht für die Analytik-Schiene entscheiden, mit Fragen dazu konfrontiert werden. Der Lehrplan werde laufend überprüft, damit wesentliche Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit im gesamten Programm verwoben sind. To Dos für Business Schools „Die Nachfrage nach Management Skills wird in den nächsten Jahren zunehmen“, ist Wharton-Professor Christian Terwiesch derweil überzeugt. Denn das Maß an Unsicherheit wachse. Während man früher einzelne Unsicherheitsparameter hatte, erlebten Unternehmen heute immer häufiger die sogenannten „Unknown Unknowns“: Sie wissen gar nicht, was sie nicht wissen. „Man muss die Art zu führen und zu managen anpassen an das Maß der Unsicherheit im Unternehmensumfeld.“ Business Schools müssten sich immer wieder fragen, welche Skills Menschen benötigen, damit sie trotz aller Unsicherheit noch erfolgreich in ihrem Job sein können. Mit seinem Kollegen Professor Nicolaj Siggelkow hat Christian Terwiesch die sogenannte „Connected Strategy“ entwickelt, die er auch als Wegweiser für Business Schools betrachtet. Es genüge nicht mehr, nur auf Nachfragen zu reagieren, ein kuratiertes Angebot und Coaching anzubieten. Letztlich läuft seine Theorie darauf hinaus, dass Organisationen Kundinnen und Kunden helfen müssen, sich über die eigenen Bedürfnisse klar zu werden. Doch die Glaskugel für Business Schools ist noch nicht erfunden – und selbst ChatGPT wird da nur bedingt weiterhelfen. Das System kann nur die Informationen durchforsten, mit denen es gefüttert wurde. „Das ist sicher interessant“, meint Francis de Véricourt. „Ob es wirklich die Zukunft ist? Da bin ich skeptisch.“
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