Personalmagazin plus 6/2023

personalmagazin plus: MBA 2023 MBA 6 Ms. Tang Yu ist ein auf künstlicher Intelligenz (KI) basierter, virtueller Human-Roboter und seit August 2022 CEO einer Tochtergesellschaft des Gaming- und Online-Education-Konzerns Net Dragon Websoft. Eine KI in der Geschäftsführung? Die Vorteile liegen auf der Hand: Sie ist rund um die Uhr erreichbar, braucht keinen Schlaf und bezieht kein Gehalt. Sie soll alle wichtigen Aufgaben eines menschlichen CEOs erledigen, zum Beispiel Analysen prüfen, Führungsentscheidungen treffen, Risiken bewerten und einen effizienten Arbeitsplatz gestalten. Wie die KI konkret arbeitet, darüber ist wenig bekannt. Aber die Rechnung scheint aufzugehen. Der Aktienkurs des an der Hongkonger Börse notierten Unternehmens fiel zuletzt zwar leicht. Aber imMärz 2023 kommunizierte NetDragon eine Jahresbilanz von umgerechnet einer Milliarde Euro Umsatz. Das ist nur ein Beispiel für den Hype um künstliche Intelligenz. Vor allem der sprachbasierte KI-Bot ChatGPT von OpenAI erregt die Gemüter. Neben Sicherheitsfragen geht es dabei insbesondere darum, inwiefern KI menschliche Arbeit ersetzen kann – auch im Management. „KI ist gut darin, sich wiederholende Entscheidungen zu treffen, die auf großen Datenmengen beruhen“, erklärt Francis de Véricourt, Professor für Management Science und Direktor des Zentrums für Entscheidungen, Modelle und Daten an der ESMT Berlin. Allerdings bilden Daten immer nur die Vergangenheit ab. Deshalb seien selbst repetitive Entscheidungen von KI nur so lange gut, wie man sich in einer stabilen Umwelt befinde. „Eine KI kann nicht mit unplanbaren Ereignissen wie einer Pandemie umgehen“, so der Professor. Erste Gehversuche mit ChatGPT an Business Schools Francis de Véricourt experimentiert in seinen Klassen mit ChatGPT. Studierende sollen bei ihm lernen vorherzusagen, welche Antworten das System auf bestimmte Fragen ausspuckt. So ist ChatGPT etwa gut darin, formalisierte Texte zu produzieren. Das könne sehr nützlich für Managerinnen und Manager sein, um mehr Zeit für schwierige Aufgaben zu gewinnen – wie etwa Innovationen zu schaffen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Man könne die Kenntnisse der KI leicht überschätzen, denn bisweilen scheinen die Ergebnisse brillant. Oft kommt aber einfach auch kompletter Nonsens heraus. An vielen Business Schools starteten Lehrende Experimente, wie etwa an der privaten Wirtschaftshochschule Insead. Die Urteile reichten von „hilfreicher Sparringspartner“ und „nützlich für die Entwicklung alternativer Perspektiven“ über „nur gut bei engen Abfragen“, „eine schrittweise Verbesserung von Siri“ und „sehr unterschiedliche und oft falsche Antworten auf dieselbe Frage“ bis hin zu „eine Ergänzung zu dem, was wir tun“. Laut dem Online-Portal Poets & Quant fütterte Melissa Rapp, Zulassungsleiterin der Goizueta Business School der Emory University, ChatGPT mit den Aufsatzvorgaben der Schule. „Das System kann einen ziemlich guten Aufsatz schreiben“, befand sie. Dieser sei nicht personalisiert und wirke wie aus der Konserve. Dennoch hat sie das veranlasst, künftig bei der MBA-Bewerbung mehr Wert auf ein Videointerview zu legen. Isabel Fischer, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Warwick School, nutzt in ihremUnterricht das ProgrammDall-E von OpenAI, das Textbeschreibungen on demand visualisieren kann. „Natürlich diskutieren wir auch die Risiken, Bedrohungen und die Ethik hinter der KI“, schreibt sie in einem Blogbeitrag. Auch die Art und Weise, wie Business Schools künftig wichtige Skills prüfen wollen, könnte sich radikal ändern. „ChatGPT besteht eine Wharton-Prüfung“ titelten Anfang des Jahres viele Medien. Professor Christian Terwiesch hatte in seinem Kurs „Operations Management“ an der „Wharton School of the University of Pennsylvania“ als einer der ersten die Antwortfähigkeiten des Chatbots überprüft – mit passablen Ergebnissen (siehe Interview ab Seite 10). In der Finanzklausur von Johan Hombert, Associate Professor an der HEC Paris, erzielte der Bot jedoch weniger beeindruckende Ergebnisse. Das System landete bei 20 Prozent der Punktzahl, während Studierende durchschnittlich 73 Prozent erreichen. Im Moment bleibt es an Business Schools noch den Lehrenden überlassen, inwiefern sie KI-Bots im Unterricht und bei Prüfungen zulassen. „Heute besteht ein Bot meine Examen vermutlich noch nicht, aber vielleicht in Zukunft“, so Francis de Véricourt. „Ich habe noch nie an Klausuren geglaubt. Nur weil jemand gute Noten hat, ist er oder sie noch lange kein guter Manager oder eine gute Managerin.“ Er hätte nichts dagegen, künftig Prüfungen nur noch zu nutzen, um sich zu vergewissern, dass die Studierenden einen gewissen Stoff beherrschen. Er vergleicht die Entwicklung der KI-Chatbots mit der Erfindung des Taschenrechners: Dieser habe Menschen das Rechnen abgenommen. Trotzdemmussten sie noch verstehen, was addieren bedeutet. So konnten sie sich – mithilfe des Taschenrechners – anderen mathematischen Problemen widmen. Führungskompetenzen im Mittelpunkt der Lehre „Wir sollten uns im Management auf das konzentrieren, was Menschen auszeichnet: Emotionen und die Fähigkeit, mentale Modelle zu schaffen“, schlussfolgert der ESMT-Professor. Ein Beispiel: Singapur, vor 15 Jahren. DHL Express Asia Pacific macht sich Gedanken über seinen CO2-Fußabdruck. Das Logistikunternehmen optimiert die LKW-Routen. Das spart Zeit, aber auch Strecke – und damit Öl und Gas. Durch die Initiative „Go Green“ verbessert sich 2009 nicht nur die CO2-Gesamteffizienz um 19 Prozent, auch die Betriebskosten sinken. „Warum brauchten sie erst ein grünes Programm, um zu erkennen, dass sie effizienter und schneller sein können?“, fragte sich Francis de Véricourt, damals Associate Dean for Research an der ESMT. Er stellte fest: „Sie nutzten ein anderes mentales Modell, das ihnen geholfen hat, aus ihrem Silo herauszukommen“. „Die wichtigste Managementfähigkeit ist die Fähigkeit zu lernen und systemisch zu denken. Es sind immer noch die Menschen, die Systeme entwickeln. Denn KI ist nicht in der Lage, einen Frame oder Reframe zu erstellen“, so der Co-Autor des Buchs „Framers“. KI könne Blind Spots im Denken aufdecken, indem es Vorschläge generiert. Aber Teams füh-

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==