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NEUES MANAGEMENT
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
personalmagazin 06 / 12
Mehr Freiheit wagen
ÜBERBLICK. Die Zeit der großen Managemententwürfe scheint vorbei. Dennoch
experimentieren Firmen mit alternativen Führungs- und Steuerungskonzepten.
E
s bedurfte eines ostdeutschen
Bundespräsidenten, um den
Deutschen den Wert der Freiheit
in Erinnerung zu rufen. Wie kein
Zweiter singt Joachim Gauck das Hohe-
lied auf dieses Menschenrecht. Gerade
aus der Wirtschaft ist dem neuen Bun-
despräsidenten dafür Applaus sicher.
Weniger Regulierung, mehr freies Un-
ternehmertum sind ihre Leitbilder. Doch
ob die Firmenlenker auch zu mehr Frei-
heiten im Inneren ihrer Unternehmen
applaudieren würden, ist ungewiss.
Sicher: Unter dem Schlachtruf der
Flexibilisierung haben Firmen viele alte
Zöpfe in Sachen Arbeitszeit und Arbeits-
ort abgeschnitten. Zu ihrem Schaden
war das nicht. Doch ist ihnen bewusst,
welchen Freiheitsdrang gerade die jun-
ge Generation mit in die Arbeitswelt
hineinträgt? Schöpfen sie die neuen
Möglichkeiten der Informationstechno-
logie zur Umgestaltung ihrer Organisa-
tionen wirklich aus? Wirken sie darauf
ein, den Rechtsrahmen so zu verändern,
dass freies Unternehmertum nicht nur
als Feigenblatt für prekäre Randbeleg-
schaften herhalten muss? Lösen sie
Denk- und Verhaltensmuster in ihren
Unternehmen auf, die dem „Organiza-
tion Man“ als Leitbild huldigen?
Diese Fragen sind für das Ganze der
Volkswirtschaft schwer zu beantwor-
ten. Sicher aber ist, dass es immer mehr
Firmen gibt, die mit mehr Freiheit und
weniger „Command and Control“ in der
Unternehmens- und Menschenführung
experimentieren. Ihnen zur Seite stehen
Vordenker und Berater, die das Paradig-
ma der Freiheit in Konzepte und Modelle
gießen. Vier davon kommen in unserer
Titelstrecke zu Wort. Wir ersparen un-
seren Lesern die Diskussion, inwieweit
es sich um Managementkonzepte, Ma-
nagementmodelle oder Management-
moden handelt. Hierüber streitet die
Wissenschaft inbrünstig, die wenig zu
solch konkreten Gestaltungs- und Hand-
lungsanleitungen beiträgt. Aber mit mä-
ßigem Erfolg: Eine allgemein anerkannte
Definition von Managementmodell oder
-konzept gibt es nicht.
Vier neuere Ansätze mit Bezug zu HR
Dafür ist an Konzepten kein Mangel.
„Die hundert wichtigsten Manage-
mentkonzepte“ hat zum Beispiel der
Economist-Autor Tim Hindle in seinem
gleichnamigen Buch zusammengetra-
gen. Konzepte wie Total-Quality-Manage-
ment, Business-Process-Reengineering,
Kaizen haben zuletzt die Art verändert,
wie Unternehmen sich aufstellen und
ihre Herausforderungen meistern. Den-
noch drängt sich der Eindruck auf, dass
in den vergangenen Jahren kaum mehr
ein großer Wurf auf dem Markt der Ma-
nagementideen gelungen ist.
Auf Markt- und Meinungsführerschaft
sehen es die in dieser Ausgabe ver-
sammelten vier Konzepte und ihre Ver-
fechter auch nicht ab. Vielmehr sind es
Herangehensweisen an Detailprobleme
der Organisationsgestaltung, Men-
schen- und Unternehmensführung, die
eine starke Auswirkung darauf haben,
wie Personalarbeit gelebt und aufgestellt
werden muss. Scrum, ROWE, „Beyond
Budgeting“ und „Resourceful Humans“
tun dies zwar alle ganzheitlich, doch aus
unterschiedlichen Perspektiven. Scrum
nähert sich den Herausforderungen
hauptsächlich über eine andere Form
des Projektmanagements, ROWE auf
dem Weg einer neuen Kultur der Ziel-
setzung, „Beyond Budgeting“ durch die
Reformation der Budgetierung und „Re-
sourceful Humans“ über den Neustart
der HR-Funktion.
Die Autoren dieser Titelstrecke beto-
nen: „Was uns vereint, ist das Bestreben,
wieder konsequent interne und externe
Kunden in den Mittelpunkt des unter-
nehmerischen Schaffens zu stellen. Dies
bedeutet einerseits Wertschätzung von
Mitarbeitern, die als Mit-Unternehmer
freiheitlich und überzeugt arbeiten, und
andererseits Wertschätzung von Kun-
den, die eine ehrliche und authentische
Leistung erhalten.“ Damit diese Kon-
zepte implementiert und gelebt werden,
so argumentieren sie übereinstimmend,
muss auch das Personalwesen sich und
seine Praktiken grundlegend ändern. Ei-
ne Einsicht, die bei vielen der bekannten
Modelle früherer Jahre zu kurz kam.
Von
Randolf Jessl
(Red.)
Sollen sich Kultur und Organisation ändern, muss
sich auch das Personalwesen ändern.