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LEBENSPHASENORIENTIERUNG
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personalmagazin 04 / 12
Das Ende der Einheits-HR
TREND. Ob Frauen- oder Seniorenquote: Sie sind unnötig, wenn Personalarbeit
auf Lebensphasen ausgelegt ist. Denn so fördert man alle Mitarbeiter individuell.
I
m März 2010 führte Thomas Sattel-
berger, Personalvorstand der Deut-
schen Telekom, die Frauenquote im
Unternehmen ein. Es folgten heiße
Debatten. Die Quote soll Frauen fördern,
für eine gesunde Diversity sorgen und
den Fachkräftemangel bekämpfen. All
diese Vorteile können berechtigt an-
geführt werden, wie wir in Ausgabe
06/2010 auch schon berichtet haben.
Doch bisher hat sich in den Unterneh-
men noch nicht viel getan.
Dafür hat die SPD im Zuge des hoch-
gesetzten Rentenalters eine neue Quote
ins Spiel gebracht. Die Seniorenquote
soll dafür sorgen, dass die Arbeitgeber
genügend Arbeitsplätze für Mitarbeiter
über 60 Jahre vorhalten. Auch intern
setzt die SPD auf Quoten: Die Partei hat
eine Frauen- und seit Kurzem auch eine
Migrantenquote. Der SPD-Parteivorsit-
zende Sigmar Gabriel empfiehlt dies für
alle öffentlichen Ämter. Doch die Bun-
deskanzlerin wiegelt, zumindest was die
Migrantenquote angeht, schon ab, wie
der „Focus“ berichtete.
Für die ablehnende Haltung gibt es
gute Gründe. Denn Quoten stellen im-
mer eine erzwungene Vielfalt her, die
die Nutznießer unter Generalverdacht
stellen, nicht wegen ihren Fähigkeiten
gefördert zu werden. Hinzu kommt, dass
gerade im Fall der Seniorenquote die
praktische Umsetzung von gesetzlicher
Seite nur „bedingt möglich“ ist, wie Pro-
fessor Martin Henssler im Interview er-
läutert (siehe Seite 18).
Wenn man nun noch bedenkt, dass
Quoten immer nur einzelne Mitarbeiter-
gruppen fördern, stellt sich die Frage,
ob nicht ein ganzheitlicher, nachhaltiger
Ansatz zu finden ist. Und daran arbeiten
gerade einige Forschungsgruppen und
Unternehmen. Sie befürworten die le-
bensphasenorientierte Personalarbeit.
Die Mitarbeiter sollen je nach Lebensla-
ge individuelle Unterstützung erhalten:
Wer Kinder hat, braucht ein anderes An-
gebot als ein Single mit Ehrenamt. Ein
älterer Mitarbeiter kurz vor der Rente
möchte Unterstützung im Übergang fin-
den, ein Einsteiger braucht Hilfe bei der
Orientierung im Unternehmen.
Ganzheitlichkeit ist gefragt
So hat das Institut der deutschen Wirt-
schaft Köln (IW) das Thema aufgegriffen
und den Leitfaden „Personal-Kompass“
dazu veröffentlicht. Darin enthalten ist
auch ein Argumentationsleitfaden, der
die Vorteile der lebensphasenorien-
tierten Personalarbeit auflistet. Zusam-
menfassend lässt sich aufzeigen, dass
sie die einzelnen Mitarbeiter hochin-
dividuell fördert und damit eine hohe
Zufriedenheit bei der Arbeit schafft. Die
Mitarbeiter können sich so stärker mit
ihrem Unternehmen identifizieren, ihre
Motivation und die Arbeitgeberattrakti-
vität steigen. Das Risiko des Know-how-
Verlusts sinkt, weil die Arbeitnehmer
sich stärker gebunden fühlen. Und die
Lust am lebenslangen Lernen steigt.
Ablesen lässt sich dies laut IW Köln an
einer sinkenden Fluktuationsrate und
einem geringeren Krankenstand. Das
bedeutet schließlich und endlich: Die
lebensphasenorientierte Personalarbeit
ist ein potentes Hilfsmittel gegen den
Fachkräftemangel.
Systematik liegt schon vor
Auch das Institut für Beschäftigung
und Employability (IBE) an der FH Lud-
wigshafen hat das Thema aufgegriffen.
Das Ergebnis ist ein systematischer
Überblick über alle Lebensphasen, die
ein Mitarbeiter durchlaufen kann. Die-
se werden im Ansatz des IBE noch mit
den Berufsphasen ergänzt und in den
Überschneidungen auf einzelne Perso-
nalinstrumente heruntergebrochen. Die
tabellarische Übersicht dazu finden Sie
ab Seite 22. Einzelne Handlungsfelder
werden in den Seiten danach aufgegrif-
fen und daraufhin beleuchtet, welche
Instrumente für welche Mitarbeiter Ver-
wendung finden sollten.
Allerdings: Eine derart hohe Indivi-
dualisierung erscheint zunächst nicht
sonderlich praktikabel. Daher haben wir
einige Beispiele mit arbeitsrechtlichen
Hinweisenredaktionell ergänzt.Aufdiese
Weise könnenSie ersteHürden indie Pra-
xis überwinden. Auf dass zumindest ei-
ne Quote steigt: die Umsetzungsquote.
Von
Kristina Enderle da Silva
(Red.)
Online
Das IBE hat die Software „Lopbox“
erstellt, die Mittelständlern bei der
Einführung der Lebensphasenorien-
tierung hilft. Sie ermittelt automa-
tisch Vorschläge für Instrumente.