Seite 18 - personalmagazin_10_2011

Basic HTML-Version

18
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an michael .mi l ler@personalmagazin.de
personalmagazin 10 / 11
ARBEITSZEIT
Auf in die Neuzeit
TREND. Arbeitspotenzial zu verschenken, kann sich künftig kein Unternehmen
erlauben. Daher gewinnen längere Arbeitszeiten und Flexibilität an Bedeutung.
A
uch viele Jahre nach der Dis-
kussion um die 35-Stunden-
Woche wird zum Teil heftig
gekämpft, wenn es um das
Thema „Arbeitszeit“ geht. So auch beim
Maschinenbauer Atlas. Dort hatte der
Firmenchef vor wenigen Monaten für
jeden seiner Mitarbeiter einen neuen
Arbeitsvertrag ausgelegt. Im Wesent-
lichen sollten die Arbeitnehmer durch
den Kontrakt statt 35 nun 40 Stunden
pro Woche arbeiten. Unterschriftswilli-
gen hatte der Vorgesetzte fünf Prozent
mehr Lohn in Aussicht gestellt. Das
Problem dabei war, dass er kurze Zeit
zuvor abweichende Regelungen, unter
anderem zur Arbeitszeit, anerkannt ha-
ben soll.
Daher hatte das Arbeitsgericht das
Vorgehen des Firmenchefs untersagt.
Dieser musste sich an seine ursprüng-
liche Zusage halten, die Arbeitszeit blieb
bei 35 Stunden.
Dabei war das Ziel, die wöchentliche
Arbeitszeit zu erhöhen, weitsichtig und
vernünftig, die Mittel jedoch offensicht-
lich unzulässig. Denn längere Wochen-
arbeitszeiten sind nicht ohne rechtliche
Hürden durchzusetzen. Eventuell bedau-
ert das der ein oder andere Unternehmer
im Stillen. Die rechtlichen Rahmenbe-
dingungen jedoch beginnen mit der
zeitlichen Obergrenze aus dem Arbeits-
zeitgesetz und enden noch lange nicht
bei tariflichen Sonderregeln einzelner
Branchen. Einen grundlegenden Über-
blick dazu, welche Voraussetzungen im
Zusammenhang mit der Erhöhung der
Arbeitszeit zu beachten sind, und wel-
che Lösungen sich bieten, finden Sie ab
Seite 24.
Dennoch: In Zeiten voller Auftrags-
bücher ist längeres und flexibleres Ar-
beiten ein wichtiges Gestaltungsmittel,
um der Nachfrage Herr zu werden, wenn
passende Mitarbeiter nicht eingestellt
werden sollen oder auch können. Ge-
rade mit Blick in die Zukunft wird sich
die Situation auf dem Fachkräftemarkt
zuspitzen, schenkt man einschlägigen
Untersuchungen zur demografischen
Entwicklung Glauben.
Zeit als wichtiges Gestaltungsmittel
Daher kommt der Gestaltung von Ar-
beitszeitmodellen künftig eine wesent-
liche Bedeutung zu, um keine Potenziale
zu verschenken. „Ich glaube einfach,
dass unsere Arbeitszeiten im Moment
nicht richtig an die Lebensverhältnisse
der Leute angepasst sind. Hier können
wir volkswirtschaftlich gesehen durch
neue Arbeitszeitmodelle mehr Beschäfti-
gung erzeugen“, sagt denn auch Gerhard
Rübling, Arbeitsdirektor bei der Trumpf
Gruppe, in unserem Interview. Er hat
ein solches neues Arbeitszeitmodell vor
Kurzem bei Trumpf eingeführt und sieht
bereits erste Erfolge (lesen Sie mehr da-
zu ab Seite 21).
Dabei umfasst Rüblings Aussage
wohl beide Arten der Herangehenswei-
se beim Thema „Arbeitszeit“: einerseits
bei gleicher Kapazität mehr arbeiten und
andererseits zusätzliche Mitarbeiter an-
werben, um die anstehenden Aufgaben
im Unternehmen zu erfüllen. Beides
hat seine Tücken: Ist die Erhöhung der
Arbeitszeit grundsätzlich bei Arbeit-
nehmern unbeliebt, wird es künftig
gerade noch schwieriger, eine größere
Anzahl an Fachkräften für die anstehen-
den Aufträge zu gewinnen.
Gut, dass es jede Menge Reserven gibt,
wie etwa die Studie der Bundesagentur
für Arbeit (BA) „Perspektive 2025: Fach-
kräfte für Deutschland“ am Beispiel der
weiblichen Beschäftigten zeigt. Danach
stünden bis ins Jahr 2025 immerhin 0,4
bis 0,9 Millionen mehr Fachkräfte zur
Verfügung, würde man für die Frauen,
die momentan nicht arbeiten, attraktive
Vollzeitangebote schaffen. Die Zahlen
variieren je nachdem, ob man vorsich-
tige Schätzungen oder europäische Spit-
zenwerte als Grundlage nimmt.
Reserven bei längerer Arbeitszeit
Aber auch beim Arbeitszeitvolumen
ist noch einiges möglich. So geht hier-
zulande lediglich gut die Hälfte aller
erwerbstätigen Frauen einer Vollzeitbe-
Von
Michael Miller
(Red.)
Gerade die Arbeitszeitmodelle stellen sich als
entscheidende Stellschrauben heraus, um den
Folgen des Fachkräftemangels zu begegnen.