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personalmagazin 08 / 10
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AUSBILDUNG
Die Nachwuchslücke
TREND. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt hat sich gedreht, Azubis
werden knapp. Höchste Zeit, das eigene Ausbildungsmarketing zu überdenken.
T
rotz Krisenjahr 2009 entwickelt
sich der Ausbildungsmarkt
2010 erfreulich positiv: Ende
Mai registrierten die Industrie-
und Handelskammern 131.531 neu ge-
schlossene Ausbildungsverträge und
die Handwerkskammern zählten 36.757
neue Ausbildungsverträge. Zwar gehen
Prognosen des Bundesinstituts für Be-
rufsbildung (BIBB) für 2010 von einem
weiteren Rückgang des Ausbildungs-
platzangebots um rund 20.000 Plätze
aus. Allerdings wird aufgrund sinkender
Schulabgängerzahlen auch das Nachfra-
gepotenzial um 69.000 zurückgehen.
Der aktuelle Berufsbildungsbericht fol-
gert: „Bei einer wirtschaftlichen Erho-
lung wird für die kommenden Jahre ein
Anstieg des Angebotspotenzials der Be-
triebe erwartet, der auf einen Rückgang
des Nachfolgepotenzials treffen wird.
Probleme von Betrieben bei der Beset-
zung von Ausbildungsplätzen dürften
dementsprechend zunehmen.“
Nachwuchslücke erwartet
Im Vergleich: Im Jahr 2009 wurden
bundesweit insgesamt 566.004 neu ab-
geschlossene Ausbildungsverträge ge-
zählt. Das waren 8,2 Prozent weniger
als im Vorjahr. Aber demografiebedingt
sank die Zahl der ausbildungsinteres-
sierten Jugendlichen auf 575.607 (minus
8,8 Prozent). Die Ausbildungsplatzlücke,
die im Jahr 2006 von Verbänden und
Gewerkschaften heiß diskutiert wurde,
war also schon 2009 deutlich kleiner
geworden. Im laufenden Jahr wird sie
den aktuellen Vorzeichen zufolge weiter
abnehmen, sodass manche Stellen sogar
von einer Nachwuchslücke sprechen.
Zum Beispiel sagte Martin Wansleben,
Hauptgeschäftsführer des Deutschen
Industrie- und Handelskammertags
(DIHK): „Nicht Lehrstellen, sondern Be-
werber sind knapp.“
Etwas anders sieht die Situation aus
Sicht der Gewerkschaften aus: Der DGB
sieht auch für 2010 keine Entwarnung
bei der Ausbildungsplatzsituation und
spricht aktuell von rund 80.000 feh-
lenden Ausbildungsplätzen. Diese
unterschiedlicheWahrnehmung des Aus-
bildungsmarkts ist auf unterschiedliche
Betrachtungsweisen – wann gilt ein Ju-
gendlicher als Ausbildungsplatzsuchen-
der – zurückzuführen (siehe Interview
Seite 17). Aber auffallend ist, dass auch
auf Gewerkschaftsseite das Wort „Aus-
bildungsplatzabgabe“ aus dem Jahr 2006
kaum mehr ausgesprochen wird. Jetzt
geht es vielmehr um Aspekte wie die
Übernahmequote nach der Ausbildung
oder um Bildungsthemen allgemein.
Wer zuerst kommt …
Schon jetzt reagieren Unternehmen laut
DIHK-Präsident Hans Heinrich Drift-
mann auf die veränderte Situation, in-
dem sie Verträge früher abschließen,
„um sich die besten Azubis und damit
die Fachkräfte von morgen zu sichern.“
So ist es nicht verwunderlich, dass die
Bundesagentur für Arbeit bereits imMai
von 381.600 gemeldeten Ausbildungs-
stellen berichtete – 9.900 mehr als im
Vorjahreszeitraum. Die Ausbildungs-
verträge werden also in der Tat immer
früher unter Dach und Fach gebracht.
Das zeigte sich auch auf den zweiten A-
Recruiter-Tagen, die im Mai in Solingen
stattfanden und sich gezielt an Ausbil-
dungs- und Recruitingverantwortliche
richteten: Wie frisch der Wind auf dem
Azubi-Markt bereits weht, wusste unter
anderem Richarda Sartory, Referentin
Personalentwicklung der Repower AG,
Hamburg, zu berichten.
Noch frischer weht der Wind derzeit
im Handwerk. Denn kaufmännische Be-
rufe, bei denen man sich nicht die Hände
schmutzig macht, soziale oder medizi-
nische Berufe erscheinen den Jugend-
lichen attraktiver als eine Ausbildung
zum Sanitär-, Heizungs- und Klimatech-
niker oder der gering bezahlte Friseur-
beruf. Der Zentralverband des deutschen
Handwerks startete deshalb zusammen
mit dem DIHK und weiteren Verbänden
die Initiative „Aktiv für Ausbildung“,
mit der gezielt ausländische Jugendliche
angesprochen werden sollen. Im Zuge
Von
Daniela Furkel
(Red.)
Schon jetzt reagieren Unternehmen auf die sich
verändernde Situation: Sie schließen die Verträge
früher ab, um sich die besten Azubis zu sichern.