„Werte spüren lassen“
INTERVIEW. Die Krise hat die Glaubwürdigkeit im Management beschädigt. Die-
se wiederherzustellen, ist auch Sache des Personalwesens, meint Ulrich Hemel.
personalmagazin:
Unsere Eliten in Wirt-
schaft und Politik stehen im Zuge der
aktuellen Wirtschaftskrisen hart in der
Kritik. Wie viel Vertrauen und Glaub-
würdigkeit ging da verloren?
Ulrich Hemel:
Da ist in der Tat gewaltiger
Schaden entstanden. Manager haben,
so zeigen es Befragungen, nur noch bei
circa acht Prozent der Menschen so et-
was wie ein Vorschussvertrauen. Doch
es gibt auch eine gute Nachricht. Mehr
als 70 Prozent der Menschen vertrauen
ihrem Vorgesetzten. Wo persönlicher
Kontakt besteht, ist es leichter, Vertrau-
en aufzubauen und zu bewahren.
personalmagazin:
Tut man den Managern
nicht Unrecht? Viele sagen, es gehe in
den Krisen eher um Systemversagen
denn um Unvermögen der Manager.
Hemel:
Ja und Nein. Keiner ist ohne Ein-
fluss und jeder muss abwägen, wie er
als Person die Rollen ausfüllen will, die
er aktiv gewählt hat. Natürlich laufen
einige Systeme wie zum Beispiel auf
dem Kapitalmarkt aus dem Ruder. Aber
jeder hat grundsätzlich die Möglichkeit,
nein zu sagen. Ich kenne Bankmanager,
die aus dem System ausgestiegen sind
und jetzt andere Dinge machen.
personalmagazin:
Ist das nicht bloßes
Davonlaufen?
Hemel:
Nein. Jedes Unternehmen kann
seine Geschäfte machen, so wie es will.
Aber wenn die Werte aus der Sicht
des Einzelnen nicht stimmen, die dem
Geschäft zugrunde liegen, dann muss
er oder sie Konsequenzen ziehen. Und
dann wird solches „Weglaufen“ auch
wirtschaftlich relevant. Gute Firmen
wissen, dass die Werte, die sie leben,
ihr Unternehmen wertvoller am Markt
und attraktiver für Mitarbeiter machen.
personalmagazin:
Wie stellen Manager
verlorene Glaubwürdigkeit wieder her?
Hemel:
Das geht nur, wenn man Wollen,
Können und Tun in Einklang bringt.
Glaubwürdig ist, wer seine eigene Lage
und seine Handlungsmöglichkeiten
realistisch einschätzt. Die Menschen
achten mehr auf Taten denn auf An-
kündigungen. Konkrete Handlungen
schaffen Glaubwürdigkeit.
personalmagazin:
Wenn ich aber falsch
gehandelt habe – was ja menschlich ist?
Hemel:
Dann brauchen Sie eine Fehlerbe-
wältigungsstrategie. Wenn Sie die nicht
haben und vermitteln, verlieren Sie
weiter an Glaubwürdigkeit. Sehen Sie
sich nur das Beispiel BP an.
personalmagazin:
Sehen Sie Vorbilder für
den Typus „glaubwürdiger Manager“?
Hemel:
Ja –
Familienunternehmer, die
persönlich haften.
personalmagazin:
Was kann das Perso-
nalwesen dazu beitragen, dass unsere
Manager wieder glaubwürdig werden?
Hemel:
Das Personalwesen hat hier eine
ganz wichtige Aufgabe. Denn es koordi-
niert, welche Menschen in der Orga-
nisation arbeiten und wie sie handeln.
Die Schlüsselfragen hierzu sind: Wer
wird eingestellt und wer befördert? Ist
es jemand, der durch Ankündigungen
und Ellbogen reüssiert? Ist er oder
sie Teamplayer oder Trittbrettfahrer?
Auswahl- und Beförderungsentschei-
dungen lassen die Werte, die in einer
Organisation vorhanden sind, spürbar
werden. Nur auf diesem Boden kann
die Glaubwürdigkeit einzelner Manager
gedeihen.
ist Professor für Religionspädagogik,
Berater, Unternehmer und Gründer des
Instituts für Sozialstrategie. Er spricht
auf dem 1. Deutschen HR Forum.
Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel
Das Interview führte
Randolf Jessl.
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1. DEUTSCHES HR FORUM
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personalmagazin 08 / 10
SZENE