Seite 82 - personalmagazin_2010_09

Basic HTML-Version

PERSÖNLICH
personalmagazin 09 / 10
82
Schreiben Sie uns an:
KOLUMNE
Von welchem Ende
her stinkt der Fisch?
KOLLEGENTIPP. Aus Sicht des HR-Profis lehrt
der Fall Horst Köhler: Dilettantismus bei Personal-
entscheidungen rächt sich.
Wir haben einen neuen Bundespräsidenten, der
alte ist Geschichte. Warum noch gegen Horst
Köhler
keilen?
Ganz einfach: Weil mich dieser
larmoyante Abgang immer noch ärgert. Da wirft
der höchste Repräsentant des Staates Knall auf
Fall hin, weil Journalisten nicht willfährig Weih-
rauch fächeln und weil er Kritik mit Denkmal-
schändung verwechselt. Was für eine Mimose!
Doch was passiert, wenn wir den Fokus wech-
seln und die Causa Köhler mit den Augen des
Personalentscheiders mustern?
Wenn wir statt
der Marionette die Marionettenspieler suchen
und fragen, wer die Puppe am Draht bewegt!
Erinnern wir
uns!
Im März 2004 tüfteln Angela
Merkel, Guido Westerwelle und Edmund Stoiber
an einem strategischen Knaller. Bei italienischen
Häppchen küren sie Horst Köhler in Westerwelles
Wohnzimmer zum Präsidentschaftskandidaten.
Wer will schon wissen, ob der bis dato nur
Insidern bekannte Direktor des Internationalen
Währungsfonds und das angetragene Amt zuei-
nander passen? Schließlich geht es um mehr. Es
geht um Lagerpolitik, um taktisches Geschacher,
um den Griff nach der Macht.
Den
Ausgang
kennen wir.
Warum Horst Köhler
zurückgetreten ist, weiß nur er allein. Was indes
klar zutage tritt, ist die Pleite einer dilettan-
tischen Personalentscheidung. Und das macht es
sinnlos, den Sack anstelle des Esels zu schlagen.
Letztlich hat nicht Horst Köhler, letztlich haben
die Kurfürsten gepfuscht. Sie haben nicht hin-
reichend geprüft, ob ihr Kungelkandidat genug
Statur und das persönliche Rüstzeug mitbringt.
Sie haben nicht geprüft, ob „Horst ... Wer?“
zum Teamspieler taugt, nicht geprüft, ob er die
Kunst der Kommunikation beherrscht, nicht,
ob sein Fell dick genug ist, um dem Druck der
politischen Bühne standzuhalten.
Die Moral des Scheiterns:
Wenn Person und
Posten, wenn Amt und Anwärter nicht über-
einstimmen, stimmt gar nichts. Das zeigt die
Personalie Köhler, das zeigen Walter Mixa,
Thomas Middelhoff, Utz Claasen. Und ganz gleich,
ob Minister, Manager oder Mitarbeiter – Fehlbe-
setzungen bergen großes Schadenspotenzial.
Damit ist die Causa Köhler ein Lehr- und Mahn-
stück in
eigener
Sache
. Als Personaler stehen
wir doppelt in der Pflicht: Wir müssen sowohl
Positionen vor den falschen Bewerbern wie auch
Bewerber vor den falschen Positionen schützen.
Das funktioniert nur, wenn wir die Kandidaten-
kür
vom
Kopf
her
denken.
Wir müssen zuerst
den Job und sein Umfeld verstehen, zuerst die
Anforderungen und Fallstricke, zuerst die Aufga-
ben und Risikozonen kennen. Nur dann werden
wir jemanden finden, der eine Position wirklich
ausfüllt, jemanden, der sie nicht bloß darstellen,
sondern authentisch leben kann. Jemanden, der
auch dann standhält, wenn Sturm aufzieht.
Kollegentipp
Wer sich, seine Abteilung und seine
Arbeit voranbringen will, muss
Wirkung entfalten. Gute Ideen und
Ansätze, wie das gelingt, präsentieren
Ihnen hier Mitglieder der Personaler-
initiative „Wege zur Selbst-GmbH“.
Von Kollegen für Kollegen.
Partner bei Jack Russell
Consulting GmbH
Dr. Thomas Heyn
© A1PIX/NTH