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DEMOGRAFIE
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personalmagazin 01 / 09
Was wird?
TREND. Der Anfang ist gemacht. Unternehmen und Volkswirtschaft werden auf
Demografiefestigkeit getrimmt. Doch macht die Rezession dem nun ein Ende?
D
ie Entwicklung kippt lang-
sam, kontinuierlich und mit
einer nicht mehr beeinfluss-
baren Bewegung zu einer
Gesellschaft, in der Alte die Überzahl
haben“, schreibt Charlotte Venema, Lei-
terin Personalpolitik der Vereinigung
der hessischen Unternehmerverbände,
in einer Neuerscheinung zum Thema
„Demografie – Engpassfaktor Personal“.
Das ist trefflich formuliert. Doch kippt
nicht noch etwas ganz anderes in diesem
Lande? Nämlich die Stimmung und die
Bereitschaft, demografiefeste Personal-
politik zu betreiben?
Ein internes Schreiben an Verwal-
tungsangestellte und produktionsnahe
Mitarbeiter des Daimlerwerks in Sindel-
fingen legt dies nahe. In diesemwird den
Mitarbeitern angeboten, doch freiwillig
in Frühpension oder Altersteilzeit zu ge-
hen. In den Augen Venemas ist so ein
Angebot von gestern: „Konnte ein Unter-
nehmen bis vor Kurzem noch öffentlich
erklären, man werde Personalabbau
sozialverträglich durch Auflösungsver-
träge und Angebote zum Vorruhestand
an die älteren Mitarbeiter umsetzen, be-
stehen heute nicht nur mit Blick auf das
unselige AGG Zweifel, ob dies eine kluge
öffentliche Aussage wäre.“
Spürbare Fortschritte seit 2001
Wie auch immer, Frühverrentungs- und
Altersteilzeitangebote könnten sich im
Zuge der Rezession wieder häufen. Die
Herbst-Konjunkturumfrage des Instituts
der deutschen Wirtschaft (IW), Köln,
zeigt: Gut ein Drittel der Firmen will
2009 Personal abbauen. Dann stünden
erste Erfolge auf dem Spiel, die Deutsch-
land auf dem Weg zu einem demogra-
fiefesten „System Arbeit“ erzielt hat.
Denn volkswirtschaftlich betrachtet, ist
Deutschland seit 2001 vorangekommen.
So resümiert der stellvertretende
Direktor Arbeitsmarktpolitik, Werner
Eichhorst, am Forschungsinstitut zur
Zukunft der Arbeit (IZA) in einem Dis-
kussionspapier vom Dezember 2007:
Die Beschäftigungsquote älterer Mit-
arbeiter über 55 Jahre sei um mehr als
elf Prozentpunkte gestiegen (2. Quartal
2007: 52 Prozent), sie nähere sich immer
stärker der durchschnittlichen Beschäf-
tigungsquote aller Altersgruppen an.
Auch in den Betrieben tut sich etwas. So
ergab die Demografie-Fitness-Umfrage
des Adecco-Instituts, dass in keinem
der fünf größten Länder Europas das
Bewusstsein für die demografischen
Herausforderungen so groß ist wie in
Deutschland. Selbst bei der Weiterqua-
lifizierung Älterer, wo Deutschland weit
hinter den Erfordernissen zurückbleibt,
diagnostizierte die Bundesagentur für
Arbeit jüngst dank ihres WeGebAU-Pro-
gramms leichte Fortschritte.
Ein Megatrend kennt keine Konjunktur
MachtderrasanteinsetzendeAbschwung
all das zunichte? Das darf nicht sein.
Denn die Alterung und Schrumpfung
der Gesellschaft ist ein Megatrend, der
durch konjunkturelle Ausschläge nicht
aufgehobenwird. ImGegenteil. Probleme
wie der Fachkräftemangel können durch
kurzsichtiges Handeln sogar verschärft
werden. „Es wäre fatal, wenn diese The-
men im Rezessionstaumel wieder von
der Bildfläche verschwinden würden“,
warnte Karl-Heinz Stroh, Personalvor-
stand bei Praktiker, im Rahmen der 2.
Ludwigshafener Personalgespräche.
Denn gerade qualifizierte Kräfte gilt es
angesichts der Bevölkerungsentwick-
lung um jeden Preis in den Unterneh-
men zu halten. Zu Recht fordert daher
der Kommentator der Süddeutschen Zei-
tung, Thomas Öchsner: „Es sollten dies-
mal nicht die Erbsenzähler entscheiden,
die nur Kosten minimieren können. Jetzt
ist die Stunde der weitsichtigen Perso-
nalchefs.“ Das Interesse am Instrument
Kurzarbeit, das Seminarveranstaltern
gerade die Reihen füllt, könnte ein Indiz
sein, dass die Verantwortlichen die Zei-
chen der Zeit erkannt haben.
Kurs halten trotz Gegenwinds
Allerdings braucht es langen Atem. So
wie im Fall Friedrich Hesemanns. Der
Geschäftsführer der Liebherr Verzahn-
technik GmbH in Kempten bekennt sich
zu einer demografieorientierten Perso-
nalarbeit. Ältere Mitarbeiter sollen so
lange wie möglich im Unternehmen ge-
halten werden, Altersteilzeit gibt es nur,
wenn gesundheitliche Probleme vorlie-
gen: „Das soll auch so bleiben.“ An der
gleichmäßigen Verteilung von jüngeren
und älteren Mitarbeitern im Unterneh-
men will Hesemann daher festhalten
– auch angesichts einer Krise, die gera-
de seine Kunden aus der Automobilin-
dustrie in voller Härte trifft. Mit ihnen
machen Hesemann und seine 850 Mit-
arbeiter 80 Prozent ihres Umsatzes.
Von
Randolf Jessl
(Red.)