36 PERSONALquarterly 01 / 23 NEUE FORSCHUNG_CROWDWORKING Vignette enthielt grundlegende Fakten über den Auftraggeber sowie die Aufgabenbeschreibung. Im zweiten Teil der Vignette wurde der interessierende Faktor variiert (= Option, Feedback vom Auftraggeber zu erhalten [ja/nein]). Zur Messung von (affektivem) organisationalem Commitment wurden fünf auf den Kontext angepasste Items aus der validierten Skala von Felfe et al. (2002) verwendet (Beispiel-Item: „Ich empfinde ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu dem in der Aufgabenbeschreibung genannten Auftraggeber“; Cronbachs Alpha 0.88). Um die wahrgenommene Attraktivität des Auftraggebers zu messen, verwendeten wir vier auf den Kontext angepasste Items der Skala von Aiman-Smith/Bauer/Cable (2001) (BeispielItem: „Ich finde, dass dies ein sehr attraktiver Auftraggeber ist“; Cronbachs Alpha 0.91). Alle Items wurden auf einer fünfstufigen Likert-Skala gemessen (1: stimme überhaupt nicht zu, 5: stimme voll und ganz zu). Um die aufgestellten Hypothesen zu testen, wurde eine einfaktorielle MANOVA durchgeführt. Unsere Studie offenbart, dass Auftraggeber grundlegend in die Stimulierung einer direkten Beziehung zu ihren Crowdworkern investieren sollten. Es lässt sich von uns zeigen, dass die Aussicht, als Crowdworker ein Feedback zu erhalten, einen signifikant positiven Einfluss auf das persönliche organisationale Commitment entfalten kann. Darüber hinaus empfinden Crowdworker Auftraggeber als signifikant attraktiver, wenn eine Feedback-Option in die Aufgabenbeschreibung integriert ist (vgl. dazu auch Abb. 1). Diese Resultate lassen sich gut vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten qualitativen Studie interpretieren: Crowdworker sind, wie traditionelle Arbeitnehmer auch, menschliche Wesen, die sowohl nach Zugehörigkeit als auch nach sozialer Anerkennung streben. Durch die Möglichkeit, Feedback zu erhalten, werden nicht nur diese Grundbedürfnisse adressiert, sondern es wird auch die Anonymität durchbrochen – wodurch der Crowdworker zusätzliche Kenntnisse über seinen Auftraggeber erlangen kann. In der Folge ist es mehr als denkbar, dass der Crowdworker vermehrt nach weiteren Aufträgen dieses Auftraggebers sucht und somit eine Quasibeziehung aufbaut. Implikationen der Studien Unsere Studienergebnisse liefern praktische Hinweise für Personaler, die Crowdworker im Unternehmen gewinnbringend einsetzen wollen. Obwohl sich unsere Erhebung ausschließlich im Microwork-Kontext bewegt (und es sich somit um eine vorrangig auf Effizienz ausgerichtete Arbeitsform handelt), zeigt sich, dass sich der Crowdworker selbst durchaus als „Partner“ begreift und vom Auftraggeber daher nicht als Ersatzinstrument für (noch) fehleranfällige KI-Prozesse interpretiert werden sollte. Insofern sollten HR-Verantwortliche systematisch in den Aufbau eines psychologischen Vertrags mit dem Crowdworker investieren, indem z. B. konkrete Interaktions- und Austauschmöglichkeiten zwischen den Parteien – auch außerhalb der genutzten Plattform – etabliert werden. Nach der „Organizational Support Theory“ (Eisenberger et al., 1986) können psychosoziale Bedürfnisse, wie Anerkennung, Zugehörigkeit und letztlich auch Sicherheit durch die Möglichkeit der direkten Kommunikation effektiver befriedigt werden. Eine zweite Empfehlung besteht darin, dass die mit Crowdwork betrauten Personaler ein Work Design mit präzisen und klaren Aufgabenbeschreibungen sicherstellen müssen, um so bereits im Vorfeld mögliche Konflikte und Frustration zu vermeiden. So werden letztlich faire und transparente Bedingungen geschaffen, die sich positiv auf die wahrgenommene Auftraggeberattraktivität auswirken dürften. Eine dritte Implikation orientiert sich am Zugehörigkeitsmotiv der Crowdworker. Das unternehmensseitige HRM kann durch die Etablierung und Gestaltung von Foren und Austauschnetzwerken dafür sorgen, dass ein „Community-Gedanke“ verankert und somit das angesprochene Zugehörigkeitsmotiv aktiv adressiert wird. Ein Vernetzen von Crowdworkern mit ebenfalls für das Unternehmen aktiven anderen Crowdworkern sowie (beteiligten) unternehmensinternen Mitarbeitern kann dazu beitragen, auch langfristig eine stabile Beziehung aufzubauen und den externen Mitarbeiterpool werteorientiert zu binden. Letztendlich sollten sämtliche HR-seitigen Maßnahmen darauf abzielen, die emotionalen und psychosozialen Bedürfnisse der Crowdworker zu adressieren. Möglicherweise entstehen dadurch auch positive Spillover-Effekte, die sich z. B. in besseren Arbeitsergebnissen und geringeren Ablehnungsquoten manifestieren. All diese Aspekte verdeutlichen, dass die Grenzen zwischen externer und interner Arbeitskraft durch die Nutzung von plattformbasierter Arbeit fluider werden. Es ist für das HRM unerlässlich, sich nicht nur mit den verfügbaren Arbeitsplattformen und der Auswahl einer entsprechenden „Crowd“ auseinanderzusetzen, sondern eben auch mit den Crowdworkern als solches. Fazit Personaler stehen seit jeher vor der Herausforderung, die mit dem Faktor Personal einhergehenden Kosten zu optimieren. In diesem Sinne könnten oder sollten Personaler verstärkt auf Crowdworker zurückgreifen und die mit dieser Art von Outsourcing verbundenen Einsparpotenziale nutzen. Im Sinne typischer „Make-or-Buy“-Entscheidungen gilt es situativ abzuwägen, wann der Einsatz von Crowdwork Effizienzvorteile mit sich bringt und welche Voraussetzungen hierfür innerhalb des eigenen Unternehmens, z. B. hinsichtlich benötigter (IT-)Schnittstellen, der Einhaltung von Datenschutzvorschriften oder der Verwebung mit laufenden KI-Initiativen, geschaffen werden müssen. Letztlich müssen Personaler natürlich sicherstellen, dass die (Mindest-)Qualität der betrieblichen Leistungserstellung auch beim Einsatz von (meist anonymen) Crowdworkern gewahrt bleibt. Unsere Studienergebnisse zei
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