Personal Quarterly 1/2023

35 01 / 23 PERSONALquarterly Crowdworker jedoch auf ein transparentes (und faires) Feedback seitens des Auftraggebers angewiesen, vor allem dann, wenn Arbeitsergebnisse ohne Begründung abgelehnt und in der Folge keine Honorare ausgezahlt werden. Bei Konflikten oder Problemen können Plattformen zwar moderieren, allerdings nur auf Anfrage des Crowdworkers. Neben der Relevanz und der allgemeinen Fairness beimCrowdwork, wünschen sich die Befragten auch ein gewisses Maß an Wertschätzung vom Auftraggeber, zu dem sie unter diesen Umständen sogar eine Art Loyalität aufbauen könnten. Alle diese Aspekte unterstreichen einen häufigen (zumindest subjektiv empfundenen) Mangel an beziehungsorientierten Elementen beim Microwork. Studie 2: Organisationales Commitment von Crowdworkern2 Diverse Forschungsarbeiten zeigen, dass die psychologische Distanz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch Virtualität vergrößert wird und sich dadurch negative Effekte auf die Interaktion, Kommunikation und auch auf das sog. organisationale Commitment einstellen können (dazu z. B. Thatcher/Zhu, 2006). Organisationales Commitment und soziale Beziehungen sind im traditionellen Arbeitskontext wertvolle Konstrukte, da sie in direkter Verbindung zu Wohlbefinden, Zufriedenheit und Performance stehen (Meyer et al., 2002). Die emotionale Verbundenheit, die das organisationale Commitment voraussetzt, steht durch den üblicherweise nur kurzzeitigen Zusammenschluss der beteiligten Parteien beim Microwork zur Disposition. Unsere 2022 veröffentlichte Studie „How well did I do? The effect of feedback on affective commitment in the context of microwork“ schließt unmittelbar an unsere zuvor dargestellte explorative Studie an und untersucht, inwiefern die Möglichkeit, ein direktes Feedback vom Auftraggeber zu erhalten, einen positiven Effekt auf das (affektive) organisationale Commitment von Crowdworkern hat. Überdies wird untersucht, ob durch die Integration von Feedback in der Auftragsbeschreibung auch die wahrgenommene Auftraggeberattraktivität beeinflusst wird. Grundlegend proklamieren die von uns aufgestellten Hypothesen einen positiven Zusammenhang zwischen Feedback und der Ausprägung von Commitment sowie einer positiv wahrgenommenen Auftraggeberattraktivität. Zur Überprüfung der aufgestellten Hypothesen wurde ein vignettenbasiertes Online-Experiment mit deutschen Microworkern (N = 145) im Dezember 2020 durchgeführt. 44 % der Probanden waren weiblich. Das Durchschnittsalter des Samples betrug 38,6 Jahre. Die Probanden wurden über einen bezahlten Auftrag auf einer deutschen Microwork-Plattform akquiriert. Die Vignetten, die in der Onlineumfrage verwendet wurden, beschreiben eine Tätigkeit, die typischerweise auf einer Plattform für Microwork stattfindet. Der erste Teil der bestimmten Untersuchungsgegenstands liegt. Dabei interessieren vor allem subjektive Strukturen undWahrnehmungen sowie individuelle Sichtweisen, Sinnkonstruktionen und Erfahrungen (vgl. dazu z. B. Misoch, 2019. S. 25 f.). Zur Datenerhebung wurde ein halbstrukturiertes, leitfadengestütztes Interview gewählt. Die Interviews wurden mit 14 deutschen Microworkern durchgeführt, nachdem diese über einen bezahlten Auftrag auf einer deutschen (Microwork-)Plattform akquiriert wurden. Die Probanden wurden anhand einer Auftragsbeschreibung über das Befragungsziel und den Ablauf des Interviews informiert. Die Interviews (durchschnittlich 40 Minuten) wurden im Juli 2019 von den Autoren der Studie selbst durchgeführt und aufgezeichnet. Die Interviews wurden leicht geglättet transkribiert und anschließend mittels strukturierender Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) ausgewertet. Dazu wurde unterstützend eine QDA-Software genutzt. Die Stichprobe umfasste Probanden beider Geschlechter (w=5; m=9); der Altersdurchschnitt betrug 34,4 Jahre. Die befragten Crowdworker waren seit durchschnittlich 17 Monaten auf zwei bis drei Plattformen aktiv. Die monatlichen Vergütungssummen, die mit Crowdwork erwirtschaftet wurden, lagen zwischen 50 und 1.000 Euro. Die Auswertung der Interviews zeigt, dass auch in der Microwork-Umgebung ein gewisses Maß an Beziehungsorientierung erwartet bzw. gewünscht wird. Diese Erwartungen sind zwar nicht mit einer traditionellen Arbeitnehmer-ArbeitgeberBeziehung gleichzusetzen, aber die latenten Hoffnungen, die Crowdworker diesbezüglich formulieren, deuten auf eine gewünschte „De-facto-Führung“ hin. Dies gründet sich auf den Umstand, dass die Crowdworker zwar weder der Plattform noch dem Auftraggeber eine klassische ganzheitliche Führungsrolle zuweisen – sich in den vorgefundenen Antworten aber einzelne (beziehungsorientierte) Führungselemente wiederfinden lassen, die sich sowohl auf die Plattform als auch auf den Auftraggeber erstrecken. Als wesentlich empfanden die Probanden die Führungsaspekte Motivation, Kommunikation, Vergütung und Regelwerk. Die Ergebnisse unserer Interviewstudie verdeutlichen, dass es vor allem der fehlende direkte persönliche Kontakt zu den anderen beteiligten Akteuren ist, den Crowdworker für ihr Wohlbefinden und ihre Zufriedenheit vermissen. Die Probanden erwähnen in diesem Kontext, dass der durch die Plattform angebotene Support ausschließlich in Ausnahmefällen, also wenn größere Probleme vorliegen, aktiv ist. Die daraus resultierende Kommunikation basiert auf unpersönlichen und durch den Crowdworker abzusendende Kontaktformulare; es mangelt hingegen an konkreten Ansprechpartnern – insbesondere seitens des Auftraggebers. Ähnlich verhält es sich mit Feedbacksystemen, die laut der befragten Teilnehmer nur unzureichend auf den Plattformen etabliert sind. Bei einer ernsthaften Ausübung von plattformbasierter Arbeit sind 2 Staiger/Schmidt/von der Oelsnitz, 2022

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