32 PERSONALquarterly 01 / 23 NEUE FORSCHUNG_CROWDWORKING Unter dem Sammelbegriff NewWork gestaltet sich die heutige Arbeitswelt virtueller, autonomer und entgrenzter. Die zunehmende Digitalisierung begünstigt neue Akteure, wie z. B. digitale Plattformen, die nicht nur private Kontakte, sondern auch geschäftliche Beziehungen anbahnen und auf diese Weise die schon bestehende globale Dynamik auf dem Arbeitsmarkt weiter anheizen. In diesem Zusammenhang konturiert sich ein noch relativ junges Phänomen der neuen Arbeitswelt: das unmittelbar auftragsbezogen entgoltene, plattformbasierte Arbeiten. Man spricht hier von Click-, Gig- oder Crowdworking. Hierbei fungieren Online-Plattformen als virtuelle Marktplätze, die menschliche Arbeitsleistungen vermitteln und bewerten (Mrass/Peters/Leimeister, 2019; von der Oelsnitz, 2018). Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Frage der möglichst zweckmäßigen Einbindung von Crowdworkern in bzw. für Unternehmen, die damit z. B. externes Know-how erschließen oder bei Auftragsspitzen auf zusätzliche Arbeitskapazität zurückgreifen wollen. Dazu stellen wir zunächst Crowdwork als vergleichsweise neue Beschäftigungsform mit ihren typischen Charakteristika vor. Anschließend skizzieren wir zwei eigene Studien hierzu: eine qualitative Studie mit deutschen Crowdworkern, die illustriert, welche Führungs- und Beziehungserwartungen vonseiten dieser Gruppe bestehen; und eine zweite, nun aber quantitative Studie, die speziell das organisationale Commitment (OC) in den Blick nimmt – also letztlich die Identifikation der Crowdworker mit dem beauftragenden Unternehmen näher analysiert. Die erlangten Forschungsergebnisse verbinden wir schließlich mit Folgerungen für einen sachgerechten und professionellen Umgang des HRMmit diesem immer noch neuartigen Arbeitsansatz. Wesen und Gestalt von Crowdwork Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Crowdwork sowie den vorherrschenden Rahmenbedingungen zeigt zunächst, dass sich die Arbeitsbedingungen beim Crowdwork grundlegend durch lose plattform-mediierte Arbeitsbeziehungen, zumeist geringe Bezahlung und vorwiegend repetitive Aufgaben charakterisieren lassen. Dieses Profil findet sich besonders ausgeprägt beim vom Aufgabeninhalt her wenig komplexen „Microwork“. Der Terminus Crowdworking leitet sich aus dem Konzept des Crowdwork: Wo bleibt das „H“ in Human Resource Management? Von Prof. Dr. Dietrich von der Oelsnitz, Anna-Maria Staiger und Johannes Schmidt (Technische Universität Braunschweig) Crowdsourcing ab und basiert auch auf dessen Grundprinzipien. Dabei lassen sich drei Kernkriterien von Crowdsourcing und somit auch Crowdworking identifizieren. Zunächst ist Grundvoraussetzung, dass eine große, unbestimmte Masse an potenziellen Auftragnehmern (sog. Crowdsourcees) existiert, die über eine internetbasierte Plattform erreichbar ist (Durward/Blohm/Leimeister, 2016, S. 281). Daneben braucht es zweitens einen Auftraggeber (sog. Crowdsourcer), der Aufgaben über eine Plattform ausschreibt. Das Aufgabenspektrum ist vielfältig: Neben Aufgaben, die einen hohen Granularitätsgrad und eine geringe Komplexität aufweisen (sog. Microwork) können auch komplexe Aufgaben (sog. Macrowork) ausgeschrieben werden. Um die genannten Akteure miteinander zu verbinden, wird auf spezielle Online-Plattformen zurückgegriffen. Damit ist das dritte Kernmerkmal von Crowdsourcing im offenen Aufruf bzw. im plattformbasierten Ausschreibungsprozess zu sehen. Anders als beim Crowdsourcing steht beim Crowdworking somit der individuelle Erwerbsgedanke im Fokus. In diesem Motiv ist letztlich der zentrale Abgrenzungsfaktor zum Crowdsourcing zu sehen, da bei Letzterem nicht immer eine finanzielle Entlohnung erfolgt (Hossain, 2012, S. 311). Durch das plattformgestützte Auslagern von Aufgaben (wie z. B. dem Webdesign oder der Erfassung von Kundendaten) an eine meist anonyme Crowd ergeben sich für die Auftraggeber Chancen, aber auch Ungewissheiten – vor allem im Hinblick auf Motivations-, Qualitäts- und Performance-Fragen im Rahmen der Aufgabenbearbeitung. Auch wenn keine traditionelle Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung vorliegt, stellt sich die Frage, welche Rolle hierbei vor allem das betriebliche HRM einnehmen sollte. Einerseits wird firmenseitig auf Microwork zurückgegriffen, um (Personal-)Kosten zu reduzieren, andererseits muss aber dennoch die Leistungsqualität (z. B. in Bezug auf Schnelligkeit, Fehlerquoten, Kundenpassung etc.) weiterhin sichergestellt werden. Crowdwork wird im Rahmen des vorliegenden Beitrags als digitale und plattform-mediierte Erwerbsarbeit auf Grundlage der zuvor genannten Crowdsourcing-Prinzipien verstanden. Neben der vorab festgelegten Entlohnung ist eine klare Aufgaben- und Zielbeschreibung der Arbeitspakete elementar. Zudem ist das grundsätzlich autonome Handeln der Crowd
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