31 01 / 23 PERSONALquarterly „Humane Arbeitsbedingungen sind die Voraussetzung dafür, dass Beschäftigte ihre Tätigkeit als sinnvoll erleben können. Hier tragen die Unternehmen die zentrale Verantwortung.“ Dr. Rolf Schmucker, DGB-Institut Gute Arbeit bung und Marketing sieht das anders aus. Hier liegt der Anteil derjenigen, die den gesellschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit hoch bewerten, lediglich bei etwas mehr als der Hälfte der Befragten. Aus der wissenschaftlichen Literatur wissenwir, dass Sinnhaftigkeit u. a. stark mit dem Erleben verbunden ist, eine nützliche Leistung für andere Menschen (Kund*innen, Patient*innen, Klient*innen etc.) anzubieten. Diese Einschätzung ist in Gesundheits- und Sozialberufen offensichtlich stärker ausgeprägt als in IKT-, Versicherungs- oder Marketingberufen. Der als eher gering eingeschätzte gesellschaftliche Mehrwert der eigenen Tätigkeit bedeutet jedoch nicht, dass auch die Identifikation mit der Arbeit oder der Nutzen für den Betrieb geringer eingeschätzt werden: In IKT-Berufen geben jeweils etwa 90 Prozent der Befragten an, dass sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren bzw. dass sie einen wichtigen Beitrag für den Betrieb leisten. Die Sinnstiftung beruht hier weniger auf dem gesellschaftlichen Nutzen als auf anderen Merkmalen der Arbeit. Dies können zum Beispiel die erfahrene Wertschätzung und finanzielle Gratifikation, aber auch eine effiziente und rationale Arbeitsorganisation oder ein hochwertiges Arbeitsprodukt sein. In der Industriesoziologie wird Letzteres auch als „Produzentenstolz“ beschrieben. PERSONALquarterly: Wie sieht es mit dem Arbeitssinn in den „systemrelevanten“ Berufen aus? Rolf Schmucker: Während der Coronapandemie wurde deutlich, welche Berufsgruppen unverzichtbar für die Erfüllung essenzieller gesellschaftlicher Aufgaben sind. An der Aufrechterhaltung der sog. „kritischen Infrastruktur“ ist ein weites Spektrum von Berufen beteiligt. Die Zuschreibung als systemrelevant bedeutet jedoch nicht, dass die Beschäftigten aus diesen Berufsgruppen ihre Arbeit in gleichem Maß für gesellschaftlich bedeutsam halten. Während zum Beispiel Erzieher*innen und Krankenpfleger*innen ihre Tätigkeit zu jeweils 94 Prozent als gesellschaftlich relevant einstufen, sind es bei den Zusteller*innen 81 und bei den Reinigungskräften 73 Prozent. Und auch die Identifikation mit der Arbeit ist in Erziehungs- und Pflegeberufen überdurchschnittlich, bei Zusteller*innen und Reinigungskräften unterdurchschnittlich stark ausgeprägt. Dies ist ebenfalls ein Hinweis darauf, dass in die subjektive Sinngebung von Arbeit verschiedene Aspekte einfließen. PERSONALquarterly: Welche Merkmale der Arbeit spielen hier eine Rolle? Rolf Schmucker: In den Daten finden sich signifikante Zusammenhänge zwischen dem Arbeitssinn sowie verschiedenen Merkmalen der Arbeitsbedingungen. Dies gilt z. B. für die Führungs- und Betriebskultur: Die Identifikation mit der Arbeit nimmt zu, wenn es Wertschätzung durch Vorgesetzte gibt, wenn im Betrieb ein offenes Meinungsklima vorherrscht und die Beschäftigten über wichtige Entscheidungen und Veränderungen rechtzeitig informiert werden. Ein zweites wichtiges Feld sind die betrieblichen Entwicklungsperspektiven: Möglichkeiten, eigene Ideen in die Arbeit einzubringen, sich weiterzubilden und im Betrieb aufzusteigen, wirken positiv auf die Bewertung des Arbeitssinns. Interessante Ergebnisse zeigen sich beim Einkommen. Für die Bewertung der gesellschaftlichen Bedeutung der Arbeit ist die Höhe des Einkommens und die Bewertung seiner Angemessenheit nicht ausschlaggebend. Ein klarer Zusammenhang zeigt sich dagegen bei der Identifikation mit der Arbeit. Wenn das eigene Einkommen als nicht leistungsgerecht empfunden wird, identifizieren sich 73 Prozent in (sehr) hohem Maß mit der Arbeit. Dieser Anteil steigt kontinuierlich und erreicht 88 Prozent, wenn das eigene Einkommen in sehr hohem Maß als angemessen empfunden wird. Ein ähnlicher Zusammenhang wird deutlich, wenn die absolute Höhe des Einkommens betrachtet wird. Hier steigt die Identifikation von 77 Prozent in der untersten Einkommensgruppe auf 96 Prozent in der höchsten Einkommensgruppe an. PERSONALquarterly: Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen sinnvolle Arbeit fördern? Rolf Schmucker: Die Befragungsergebnisse des DGB-Index Gute Arbeit unterstreichen, dass sich die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit aus verschiedenen Quellen speisen kann. Neben dem gesellschaftlich geprägten Sinn der Arbeit kommt einer sinnvollen Arbeitsausführung eine wichtige Rolle zu. Hier tragen die Unternehmen bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen die zentrale Verantwortung. Dabei geht es weniger um isolierte Einzelmaßnahmen als um den umfassenden Blick auf menschengerechte Arbeit. Dazu gehören gesundheits-, entwicklungs- und persönlichkeitsfördernde Arbeitsbedingungen ebenso wie eine angemessene Entlohnung sowie eine umfassende Mit- und Selbstbestimmung der arbeitenden Menschen. Humane Arbeitsbedingungen sind die Voraussetzung dafür, dass Beschäftigte ihre Tätigkeit als sinnvoll erleben können.
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