Personal Quarterly 1/2023

PERSONALquarterly 01 / 23 30 SCHWERPUNKT_SINN PERSONALquarterly: Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen sinnvolle Arbeit fördern? Liegen die Treiber eher im Bereich Führung oder im Bereich Arbeitsplatzgestaltung? Jan Kirchner: Meiner Überzeugung nach sollten wir die Sinnhaftigkeit von Arbeit im Recruiting-Kontext mehr vom individuellen Purpose und der Lebensrealität vor allem nichtakademischer Mitarbeiter her denken. Denn klar, im Idealfall verdienen hochqualifizierte Arbeitnehmer gutes Geld in angenehmer Arbeitsatmosphäre und dürfen sich im moralischen DR. ROLF SCHMUCKER DGB-Institut Gute Arbeit E-Mail: rolf.schmucker@dgb.de www.index-gute-arbeit.dgb.de Dr. phil. Rolf Schmucker leitet das Institut DGB-Index Gute Arbeit in Berlin. Zuvor war er an der Fakultat fur Gesundheitswissenschaften der Universitat Bielefeld tatig. Die Antworten basieren auf der Auswertung des DGB-Index Gute Arbeit, einer seit 2007 durchgeführten jährlichen repräsentativen Befragung von Beschäftigten in Deutschland. Der Fragebogen enthält drei Fragen zum Sinn der Arbeit. PERSONALquarterly: Wie nehmen die Beschäftigten die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit wahr? Rolf Schmucker: In der jährlichen Repräsentativbefragung mit dem DGB-Index Gute Arbeit wird – unter anderem – nach drei Aspekten der Sinnhaftigkeit von Arbeit gefragt. Die Beschäftigten geben Auskunft darüber, wie sehr sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren, ob sie den Eindruck haben, mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für den Betrieb zu leisten und wie sie die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit bewerten. Die Ergebnisse zeigen, dass sehr viele Befragte ihre Arbeit als wichtig für den Betrieb verstehen: Mehr als 90 Prozent sehen dies in (sehr) hohemMaß als gegeben an. Auch die Identifikation mit der eigenen Arbeit ist weit verbreitet (knapp 90 Prozent). Etwas seltener ist die Einschätzung, einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Dies wird von rund 70 Prozent so gesehen, was umgekehrt heißt, dass fast jede*r Dritte in der eigenen Tätigkeit keinen großen gesellschaftlichen Nutzen sieht. Diese Ergebnisse sind in den letzten zehn Erhebungsjahren sehr stabil. PERSONALquarterly: Gibt es Zusammenhänge zwischen der Sinnhaftigkeit und der Unternehmensbindung? Rolf Schmucker: Eine Frage im DGB-Index Gute Arbeit zielt auf den Wunsch der Beschäftigten, den Arbeitgeber zu wechseln. Damit haben wir einen aussagekräftigen Indikator für die Unternehmensbindung. Interessant ist, dass der Wechselwunsch stark mit allen drei Aspekten des Arbeitssinns zusammenhängt. Je geringer die Sinnhaftigkeit ausgeprägt ist, desto verbreiteter ist der Wunsch nach einem Arbeitgeberwechsel. Bspw. bei der Identifikation mit der eigenen Arbeit: Aus der Gruppe der Befragten, die sich in sehr hohemMaß mit ihrer Arbeit identifizieren, geben zwölf Prozent einen Wechselwunsch an. Mit sinkender Identifikation wird dieser Anteil größer. Von denjenigen, die sich gar nicht mit ihrer Arbeit identifizieren, möchten 45 Prozent den Arbeitgeber wechseln. PERSONALquarterly: Zuletzt waren sogenannte Bullshit-Jobs, also Arbeitsplätze ohne erkennbaren gesellschaftlichen Nutzen im Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Schlägt sich das in den Daten nieder? Rolf Schmucker: Wenn man den Begriff „Bullshit-Job“ so definiert, dass die Beschäftigten in ihrer Arbeit keinen gesellschaftlichen Nutzensehen, geht knappeinDrittel aller Befragteneiner solchen Tätigkeit nach. Hier besteht eine starke Differenzierung nach Berufen. Beschäftigte in Gesundheitsberufen, Erzieher*innen, Lehrer*innen, und auch Polizist*innen schätzen ihre Arbeit zu über 90 Prozent als wichtige Tätigkeit für die Gesellschaft ein. Bei Berufen der Informations- und Kommunikationstechnologie, in Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie in WerVerdienst sonnen, zur Rettung der Welt beizutragen. Aber bei allen anderen, und damit der Mehrheit, dient Arbeit immer noch dazu, den Lebensunterhalt zu sichern, die Familie zu ernähren und für das Alter vorzusorgen. Überzeugen tut man sie mit fairer Behandlung und bestmöglichen Arbeitsbedingungen. Das zu gewährleisten erfordert natürlich auch gute Führung, vor allem aber Investitions- und Innovationsbereitschaft bei der Arbeitsplatzgestaltung. Gut umgesetzt werden sich diese Investitionen für die Arbeitgeber auszahlen.

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