Personal Quarterly 1/2023

PERSONALquarterly 01 / 23 28 SCHWERPUNKT_SINN Sinn der Arbeit im Spiegel aktueller Daten Über den Trend zu „sinnvoller Arbeit“ wird im Moment viel diskutiert. Was wissen wir auf Basis aktueller Daten aber wirklich darüber? Die Interviews1 mit Jan Kirchner (Wollmilschsau) und Dr. Rolf Schmucker (DGB-Institut Gute Arbeit) führte Prof. Dr. Heiko Weckmüller PERSONALquarterly: Lässt sich im Markt beobachten, dass Unternehmen auf „sinnvolle Arbeit“ als Attraktivitätskriterium setzen? Wenn ja, welche Themenkomplexe werden besonders in den Vordergrund gestellt? Jan Kirchner: Ja, das lässt sich beobachten, vor allem im Employer Branding. Interessanter als die Analyse einzelner Sinnhaftigkeitsversprechen, finde ich bei dieser Entwicklung persönlich die Metaebene. Denn während Arbeitgeberattraktivität lange durch gute Arbeitsbedingungen gegeben war, hielten im Wettbewerb um Talente vor gut 15 Jahren Unternehmenswerte und -kultur Einzug in das Personalmarketing und das Employer Branding wurde geboren. Vergütung und Benefits wurden zunehmend als kopierbare „Hygienefaktoren“ betrachtet, und so wurden im Bestreben um Differenzierung Arbeitgeberwerte und Unternehmenskulturen analysiert, Werteversprechen abgeleitet und zu Arbeitgebermarken gemünzt. Nun kommt als weitere Ausbaustufe die Sinnhaftigkeit von Arbeit und der organisationale „Purpose“ hinzu. Wenn diese Sinnhaftigkeit wahrhaftig und nicht konstruiert ist, ist sie noch weniger kopierbar als gelebte Unternehmenskultur und ein klarer Vorteil im Arbeitnehmermarkt. PERSONALquarterly: Wie schlägt sich dies konkret in Stellenanzeigen nieder und ist hier ein Erfolg nachweisbar? Jan Kirchner: Arbeitgeber kommunizieren in Stellenanzeigen sowohl auf der Ebene der übergeordneten Arbeitgeberpositionierung als auch mit berufsspezifischen Argumenten die Sinnhaftigkeit des gemeinsamen Arbeitsergebnisses. Welcher gesellschaftliche Nutzen in den Vordergrund gestellt wird, hängt – frei nach dem Motto „wer hat, der kann“ – vor allem von Branche und Berufsprofil ab. Während im Energiesektor z. B. mit Nachhaltigkeit oder der Mitwirkung an der Energiewende geworben wird, setzt man in der Pharmaindustrie und der Gesundheitswirtschaft eher auf den zwischenmenschlichen Impact der Arbeit. Am Beispiel der Krankenhauswirtschaft und dort insbesondere den Pflegeberufen zeigen sich aber auch die Grenzen der Überzeugungskraft sinnstiftender Arbeit. Denn aus der Arbeitnehmerperspektive wird der gesellschaftliche Wertbeitrag hier nicht immer so vergolten, dass es den Arbeitnehmern ihren „persönlichen Purpose“ wie z. B. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht. Eine ähnliche Sprache sprechen die seit Jahren rückläufigen Bewerbungen in vielen Handwerksberufen. Purpose kann attraktive Arbeitsbedingungen also nur bereichern, aber nicht ersetzen. Das zu akzeptieren, ist meiner Ansicht nach zentral, bevor wir über Messbarkeit sprechen. Denn Arbeitnehmerbefragungen bestätigen seit Jahren die überragende Bedeutung der Vergütung bei der Stellenwahl. JAN KIRCHNER Geschäftsführer Wollmilchsau GmbH E-Mail: jan@wollmilchsau.de www.wollmilchsau.de Nach Stationen im High-Volume-, Blue-Collar- und Tech-Recruiting hat sich Jan Kirchner mit der Wollmilchsau GmbH der Automatisierung der datengetriebenen Talent Acquisition verschrieben, um Recruiting-Organisationen Freiraum für strategische Arbeit und Organisationsentwicklung zu verschaffen. Die Antworten basieren auf der datengestützten Analyse von Stellenanzeigen und deren Effektivität und der Arbeitsmarktanalyse des Unternehmens. 1 Die Interviews wurden schriftlich geführt.

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