25 01 / 23 PERSONALquarterly Dimension auch als „Purpose Washing“ interpretiert werden (Delmas/Burbano, 2011; Findlay/Moran, 2019). Für die persönliche Entwicklung kann das Unternehmen immer nur die Rahmenbedingungen schaffen, die tatsächliche Entwicklung hängt entscheidend vom Engagement der einzelnen Beschäftigten in informellen Lernprozessen und Zufallseinflüssen ab (Decius et al., 2021). Ein auf die persönliche Entwicklung ausgerichteter Corporate Purpose lässt sich für Außenstehende schwieriger überprüfen als stärker kennzahlenunterlegte Schwerpunkte im Bereich Diversität (z. B. über den Anteil von Frauen in Führungspositionen) oder den gesellschaftlichen Nutzen (z. B. über den Beitrag der Produkte für eine verbesserte Hygiene in Zeiten der Pandemie). Abschließend kann festgehalten werden, dass von Corporate Purpose somit kein wesentlicher neuartiger Effekt ausgeht. Ein Purpose-Statement sollte sorgsam entwickelt und etabliert werden, um negative Einflüsse auf die Arbeitgeberattraktivität zu vermeiden, die z. B. über eine zu starke Betonung von Kundenorientierung und persönlicher Entwicklung entstehen können. Werden diese Hinweise befolgt, kann die Kommunikation eines Corporate Purpose eine zusätzliche Komponente im Kampf um knappe Talente darstellen. Zusammenfassung Im Rahmen einer experimentellen Vignettenstudie untersuchten wir den Einfluss unterschiedlicher Inhalte eines Purpose-Statements auf die Arbeitgeberattraktivität. Der Einfluss hängt wesentlich von den Inhalten des Purpose-Statements ab. Arbeitgeber können durchaus Inhalte wie den gesellschaftlichen Nutzen, Diversität oder Umweltschutz in den Vordergrund ihrer Kommunikation stellen, sollten aber intensiv über die unternehmensspezifische inhaltliche Ausgestaltung des Purpose-Statements nachdenken. Ergebnisse und Diskussion In Abbildung 1 sind die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst. Es zeigt sich ein differenziertes Ergebnis, das von den Inhalten der Purpose-Statements abhängt. Eine weitergehende statistische Analyse mithilfe eines Strukturgleichungsmodells (hier nicht dargestellt) zeigt, dass die Dimensionen „persönliche Entwicklung“ und „Kundenorientierung“ im Vergleich zur Standardkommunikation einen statistisch signifikanten negativen Einfluss haben, während der Einfluss der drei weiteren Dimensionen „gesellschaftlicher Nutzen“, „Umweltorientierung“ und „Diversität“ nicht signifikant von der Standardkommunikation abweicht. Daraus lässt sich unmittelbar schließen, dass der konkrete Inhalt eines Purpose-Statements auf der Karriere-Homepage Auswirkungen auf die wahrgenommene Attraktivität des Arbeitgebers hat. Schwieriger ist die Interpretation der Ergebnisse einer Purpose-Kommunikation im Vergleich zur Standardkommunikation. Hier ist festzuhalten, dass Purpose nicht zu einer signifikanten Steigerung der wahrgenommenen Arbeitgeberattraktivität führt. Das mag ernüchternd klingen. Aber die Arbeitgeberattraktivität sinkt auch nicht, wenn statt Einkommen, Arbeitsplatzsicherheit und Work-Life-Balance bspw. über den gesellschaftlichen Nutzen der Tätigkeit gesprochen wird. Allerdings kann die Untersuchung lediglich die erste Stufe der Präferenzbildung im Bewerbungsprozess abbilden; die Frage der Informationsbewertung in den weiteren Stufen bis hin zum Abschluss eines Arbeitsvertrags bleibt offen. Wie lässt sich demgegenüber der signifikant negative Einfluss der inhaltlichen Dimensionen Kundenorientierung und persönliche Entwicklung erklären? Bei einem Purpose, der in der Wahrnehmung der Teilnehmenden die Kunden in den Mittelpunkt des Handelns stellt, handelt es sich aus Sicht der Befragten wohl nicht um einen Corporate Purpose im engeren Sinne, sondern um ein altbekanntes Prinzip der Gewinnmaximierung (Lytle/Timmerman, 2006). In diesem Zusammenhang kann Purpose als Mittel verstanden werden, das sich als Zweck tarnt. Für die negativen Effekte eines Purpose mit Ausrichtung auf die persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden lassen sich zwei Erklärungen anführen: Zunächst kann es sein, dass sich die Bewerberinnen und Bewerber vom Unternehmen in ihrer Autonomie und Selbstwirksamkeitserwartung angegriffen fühlen, weil sie sich unabhängig von ihrem (zukünftigen) Arbeitgeber weiterentwickeln möchten. Schließlich findet die persönliche Weiterentwicklung in Zeiten lebenslangen Lernens und häufigerer Arbeitgeberwechsel zunehmend unabhängig von einzelnen Arbeitgebern statt (Decius et al., 2022, zum Konzept New Learning). Ein zu starker paternalistischer Drang des Arbeitgebers, die persönliche Entwicklung beeinflussen zu wollen, könnte von Mitarbeitenden als anmaßend empfunden werden. Zudem kann insbesondere diese Purpose-
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