19 01 / 23 PERSONALquarterly Bullshit wahrnehmen. Es liegt im Bereich des Möglichen, dass diese aufgrund des Vorsprungs an Berufserfahrung geschulter darin sind, Bullshit zu durchschauen, was sich entsprechend in höheren Werten niederschlagen würde. Eine andere Überlegung lautet, dass die älteren Personen mit höherer Wahrscheinlichkeit Führungspositionen bekleiden und in diesen Sphären schlicht mehr Bullshit produziert wird. So oder so bietet diese Beobachtung einen interessanten Ansatzpunkt für zukünftige Untersuchungen. Zum anderen hatten wir vermutet, dass in jenen Unternehmen mehr Bullshit wahrgenommen wird, die derzeit Initiativen gestalten, welche oft unter dem Label „New Work“ zusammengefasst werden (Beispiele: Einführung agiler Arbeitsmethoden oder sich selbst organisierender Teams). Wir haben in unseren eigenen Arbeitstätigkeiten beobachtet, dass solche Methoden und Programme oft mit einer Menge an (neuem) Jargon einhergehen – und zudem viele Menschen darüber sprechen (müssen), ohne genau zu verstehen, worum es geht. Folglich hegten wir die Vermutung, dass die wahrgenommene Intensität von New-Work-Programmen mit einem Mehr an Bullshit-Wahrnehmung einhergehen könnte. Daher baten wir die Teilnehmer zum Abschluss unserer Erhebung nach einer subjektiven Einschätzung zur Frage, inwieweit in der jeweiligen Organisation derzeit New-Work-Programme vorangetrieben werden. Zu unserer Überraschung zeigte sich in den Daten das Gegenteil unserer Vermutung: Es findet sich eine negative Korrelation von .20 zwischen beiden Aspekten. Ergo: je mehr New Work, desto weniger Bullshit, zumindest auf der Ebene der subjektiven Wahrnehmung. Auch an diesem Punkt können wir aktuell nur Vermutungen anstellen. So haben viele New-Work-Projekte bspw. den Effekt, dass die Rolle von hierarchischer/disziplinarischer Führung weniger wichtig wird. Es liegt im Bereich des Möglichen, dass die verminderte Exposition mit der zugehörigen Führungskommunikation zu einer geringerenWahrnehmung von Bullshit führt. Auch die weitere Klärung dieser Frage müssen wir an zukünftige Forscher delegieren. Implikationen für die Praxis: Bullshit eindämmen Die vorliegende Untersuchung und vorausgehende Arbeiten legen den Schluss nah, dass die übermäßige Präsenz von organisationalem Bullshit Unternehmen langfristig Schaden zufügen kann. Zwar ist Bullshit zu einem gewissen Grad in jedem Unternehmen vorhanden (McCarthy et al., 2020). Es ist allerdings von zentraler Bedeutung, dass dieser sich nicht flächendeckend ausbreitet. Spicer (2017, S. 164) geht sogar so weit, Bullshit als potenziell „gefährliches Verschwendungsproblem, welches Menschen und sogar ganze Organisationen tiefgreifend krank machen kann“, zu beschreiben. Daher ist es wichtig zu verstehen, wie im Zweifel gegen organisationalen Bullshit vorgegangen werden kann – und welche Möglichkeiten UnterPersonen mit unterdurchschnittlicher, durchschnittlicher und überdurchschnittlicher Bullshit-Wahrnehmung, so ergibt sich eine Datenlage gemäß Abbildung 1. Die Daten lassen den Schluss zu, dass es einen spürbaren Zusammenhang zwischen Bullshit-Kommunikation und Arbeitsengagement einerseits und psychischer Irritation andererseits gibt. Ob diese Beziehungen von kausaler Natur sind, kann auf Basis des korrelativen Studiendesigns nicht abschließend beantwortet werden. Es wäre durchaus möglich, dass ein hohes Maß an bereits vorhandener Irritation (bzw. ein niedriges Maß an Engagement) bei Arbeitnehmern zu gesteigerter Bullshit-Wahrnehmung führt. Aufgrund unserer theoretischen Vorüberlegungen halten wir jedoch eine kausale Wirkung des Bullshit-Niveaus auf die beiden anderen Variablen für naheliegender. Zukünftige Untersuchungen könnten diese Frage durch experimentelle Designs oder Zeitreihenanalysen eingehender beleuchten. Ergänzend zu den bisherigen Analysen sollen noch zwei weitere Befunde zu Randbedingungen unserer Studie vorgestellt werden. Zum einen konnten wir beobachten, dass das wahrgenommene Bullshit-Niveau mit dem Alter der Teilnehmer linear ansteigt. Die Menschen in der Stichprobe unter 30 Jahren sehen ihre Organisationen deutlich weniger von Bullshit geprägt als Menschen über 50; die mittleren Altersstufen liegen entsprechend dazwischen (der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Personen war hingegen gering ausgeprägt). Wir wissen nicht genau, warum die älteren Personen mehr Abb. 1: Mittelwerte für Arbeitsengagement und Irritation nach Bullshit-Niveau Quelle: Eigene Darstellung 5 4 3 2 1 niedriges BS-Niveau mittleres BS-Niveau hohes BS-Niveau Engagement Irritation 5,04 2,53 4,59 3,32 4,00 4,07
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