17 01 / 23 PERSONALquarterly oder persönliche Befindlichkeiten. Social Media und andere moderne Kommunikationstechnologien vereinfachen es zusehends, Bullshit zu produzieren bzw. zu verbreiten. In sog. Echokammern entstehen sich positiv verstärkende FeedbackSchleifen, die das Verbreiten von Bullshit im Inneren der Kammer befeuern (Berthon/Pitt, 2018). Solche Phänomene finden zunehmend mehr Raum in Organisationen. Graeber (2018) argumentiert, dass es mittlerweile eine eigene Klasse von „Bullshit-Jobs“ gibt, durchaus hochbezahlte Tätigkeiten, die jedoch entkoppelt von einer für die Gemeinschaft relevanten Form der Wortschöpfung existieren. Dabei ist zu beachten, dass Bullshit häufig ansprechend auf die Zuhörenden wirkt. Im Sinne des Vorantreibens (s)einer Agenda ist der Bullshitter versucht, seine Aussagen für andere möglichst reizvoll und glaubwürdig zu gestalten. So gelingt es, viele Menschen zu erreichen. Dementsprechend erhält der Bullshitter bis zu einem gewissen Grad Bestätigung, die ihn wiederum veranlasst, den eingeschlagenen Kurs fortzuführen (McCarthy et al., 2020). Zudem argumentiert Petrocelli (2018), dass Menschen sich immer häufiger dazu verpflichtet fühlen, eine Meinung zu äußern, ohne einen fundierten Beitrag leisten zu können. Zwei Rahmenbedingungen verstärken diese Tendenz: wenn die Zuhörer nicht wissen, worüber der Redner wirklich spricht, oder wenn der Redner keiner Rechenschaftspflicht obliegt (was bei höhergestellten Personen in einem gewissen Umfang der Fall ist, weil es von Nachteil sein kann, Vorgesetzte unmittelbar zu kritisieren). Spicer (2020) geht so weit, Bullshit als etablierte gesamtgesellschaftliche Praxis zu beschreiben. Demgemäß durchzieht Bullshit die Gesellschaft so umfassend, dass er zu einer geteilten Form sozialer Interaktion geworden ist. In solchen Gemeinschaften wird Bullshit gemeinhin akzeptiert und sogar gefördert (Christensen/Kärreman/Rasche, 2019). Diese Praxis wird besonders von zwei Faktoren begünstigt: Zum einen ist die heutige (Arbeits-)Welt derart komplex, dass es in Bezug auf viele Phänomene nicht die eine korrekte Antwort gibt. Diese Ambivalenz vergrößert die Möglichkeit und auch die Notwendigkeit zum Bullshitten. Führungskräfte sollen und müssen führen, bisweilen auch in weitgehender Unkenntnis relevanter Fakten. Die allseitige Notwendigkeit „sich durchzuwurschteln“ vergrößert andererseits die Akzeptanz des Phänomens als solchem. Positive Aspekte von Bullshit in Organisationen Es ist zu erwähnen, dass dem Bullshitten nicht zwingend egoistische Ziele zugrunde liegen (McCarthy et al., 2020). Es kann sowohl aus eigennützigen als auch selbstlosen Motiven genutzt werden. Das Ziel ist die Effektivität der kommunikativen Anstrengungen, seien sie ethisch wertvoll oder fragwürdig. Vor diesem Hintergrund ist auch der Begriff „Bullshit Artist“ zu verstehen: Er deutet an, dass erfolgreiches Bullshitten durchaus als Fähigkeit, vielleicht sogar Kunstform, betrachtet werden kann. Zudem wird – wie bereits erwähnt – regelmäßig zu bedenken gegeben, dass in einer immer komplexer werdenden (Arbeits-)Welt notwendigerweise auch der Level an Bullshit ansteigen muss. Wo immer mehr Daten und Informationen kreiert werden, wachsen Unwissen und Unsicherheit aus Sicht des einzelnen Menschen oder des einzelnen Unternehmens. Bullshitten kann somit auch als Mittel zur (Wieder-)Erlangung von Selbstwirksamkeit gedeutet werden. Es erscheint dann als ein Weg, „einen Griff“ an die überbordende Komplexität unternehmerischer Realitäten zu bekommen. Negative Aspekte von Bullshit in Organisationen Gleichzeitig gehen Forscher wie Spicer (2020) davon aus, dass ein Übermaß an Bullshit in Unternehmen (sowohl intern als auch in Richtung von Kunden/Stakeholdern) langfristig nachteilige Konsequenzen zeitigen wird. In diesem Kontext sind Neologismen wie Greenwashing und Pinkwashing beachtenswert: das kommunikative Vortäuschen von Bemühungen in den Bereichen Umweltschutz oder Support von LGBT+-Personen. Ebenso wird nahegelegt, dass kommunikative Akte im Kontext von Strategien, Unternehmenswerten und Purpose-Statements häufig ins Reich der Bullshit-Kommunikation gehören. Werden Stakeholder (z. B. Investoren) mit einer übergroßen Menge an Bullshit bedacht, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie das Vertrauen in die Organisation verlieren. Mitarbeiter der Organisation laufen Gefahr, nur sehr oberflächliche Beziehungen zu ihrem Arbeitgeber zu entwickeln, also ein rein transaktiABSTRACT Forschungsfrage: Wie wirkt sich die Intensität von Bullshit-Kommunikation auf Arbeitsengagement und psychische Irritation, eine Burn-out-Vorstufe, aus? Methodik: Entwicklung einer deutschsprachigen Version der Organizational Bullshit Perception Scale, Onlineerhebung unter 652 deutschsprachigen Arbeitnehmerinnen und -nehmern Praktische Implikationen: Obwohl Bullshitten nicht per se als negativ zu betrachten ist, sollten Unternehmen darauf hinwirken, das Bullshit-Niveau in ihrer Organisation im Zaum zu halten, da ein Übermaß dieser Form von inhaltsleerer Kommunikation mit negativen Konsequenzen in Verbindung steht, z. B. erhöhter Burn-out-Gefahr.
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