Seite 72 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_12

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Krisenkommunikation
Feindbild Vermieter
Wenn sich die Beschwerde eines Mieters zum Feldzug gegen das Wohnungsunternehmen auswächst,
droht der Unternehmensreputation erheblicher Schaden. Dann ist Krisenkommunikation gefragt.
Viele Unternehmen haben hier Nachholbedarf.
EineWohnsiedlung, irgendwo in Deutschland: Ein
Mieter will nicht verstehen, warum die Miete für
seine grundlegendmodernisierteWohnung steigt.
GesetzlicheWiderspruchsfristen interessieren ihn
nicht, er lässt sie allesamt verstreichen. Nach-
dem die Mieterhöhung rechtskräftig geworden
ist, mobilisiert er Lokal-, Landes- und Bundes-
politik. Schließlich zeigt er sogar einen Vertreter
des Wohnungsunternehmens wegen angeblichen
Betrugs an. Dieses kündigt demMieter fristlos und
bekommt imanschließenden Rechtsstreit vor dem
Amtsgericht Recht. Nach über 40 Jahren muss
der Mann seine Wohnung verlassen. Die Medien
greifen den Fall begierig auf – allerdings nicht als
Beispiel dafür, wohin Starrsinn führen kann. Ob
Lokalzeitung oder Fernsehmagazin, alle entrüsten
sich über das herzlose Vorgehen des Wohnungsun-
ternehmens. Eine krasse Ausnahme? Einerseits ja.
Die meisten der vielen Millionen Mietverhältnis-
se in Deutschland sind problemlos. Andererseits
nein. Inzwischen kennen die meisten Pressespre-
cher vergleichbare Fälle.
Die mediale Empörung hat sich in den vergange-
nen Jahren nochmals deutlich gesteigert. „Be-
sonders bei den einschlägigen Fernsehmagazinen
haben wir kaum eine Chance auf eine faire und
ausgewogene Berichterstattung. Da kannman nur
verlieren“, sagt Manuela Damianakis, Leiterin der
Unternehmenskommunikation bei der Deutschen
Wohnen AG in Berlin.
Vermögenswert Reputation:
verletzlicher als je zuvor
Für die Unternehmen steht in solchen Fällen viel
auf dem Spiel. Ob bei Neubau- und Sanierungs-
projekten, im Umgang mit Kapitalgebern, Geneh-
migungsbehörden, Politik und Verwaltung, nicht
zuletzt gegenüberMietern undMietinteressenten:
Reputation ist eine wichtige, wenn auch schwer zu
beziffernde Währung. Wie andere Unternehmen
auch müssen sich Wohnungsunternehmen damit
auseinandersetzen, wie sie ihre Reputation vor An-
griffen einzelner Unbelehrbarer schützen. InZeiten
von Social Media gilt dies umso mehr.
Fatalerweise spielt in den typischen Konflikten
erst einmal gar keine Rolle, wer im Recht ist. Die
systemischen Regeln einer Mediengesellschaft,
die von Personalisierung, Skandalisierung und
Verknappung lebt, sind nun einmal so, dass der
sprichwörtliche kleine Mann auf der Straße im-
mer zuerst Recht bekommt – bis zum Beweis des
Gegenteils und manchmal sogar darüber hinaus.
Wohnungsunternehmen sind überdies einembran-
chenspezifischen Nachteil ausgesetzt: Dass ihr Gut
auch ökonomischen Gesetzen zu gehorchen hat,
wird in weiten Kreisen keineswegs als selbstver-
ständlich akzeptiert. Vermietern und insbeson-
dere Großvermietern erst einmal mit Misstrauen
zu begegnen, scheint zum gesellschaftlichen und
politischen Ton zu gehören.
Angesichts des großen Risikos eines Reputati-
onsschadens, das durch unzufriedene Mieter
hervorgerufen wird, ist es auch für Wohnungs-
unternehmen höchste Zeit, sich mit Krisenkom-
munikation zu beschäftigen. So hat erst lediglich
eines der börsennotiertenWohnungsunternehmen
in Deutschland drohende Reputationsverluste als
Unternehmensrisiko Nr. 1 in seinemGeschäftsbe-
richt ausgewiesen.
Strategische Vorbereitung
ist die beste Krisenprävention
Eine durchdachte Positionierung des Unterneh-
mens, ein aktives Monitoring der Risiken und eine
strategische Vorbereitung auf verschiedene Kri-
senszenarien bilden dieGrundlage, um imKrisenfall
dieAktionshoheit zubewahren. DenAusgangspunkt
jeder präventiv ausgerichtetenKrisenkommunika-
tion bildet ein zu definierender unternehmensei-
gener Wertekanon. Denn nur von einer stabilen
und im Unternehmensalltag gelebten Wertebasis
(Code of Conduct) aus lässt sich im Ernstfall fle-
xibel und schnell agieren. Krisenprävention setzt
daher bereits bei der strategischen Positionierung
des Unternehmens in ihrem frühesten Stadiuman.
Pressesprecher sollten bereits an grundlegenden
Manfred Neuhöfer
Senior-Berater
Ergo Unternehmenskommunikation
GmbH & Co. KG
Köln
Verband norddeutscher
Wohnungsunternehmen e. V.
Gesetzlicher Prüfungsverband
Entscheidungshilfe
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Mitunter helfen keine Fachbücher,
sondern nur Intuition, strategische
Pläne und eingespielte Prozesse
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12|2014
MARKT UND MANAGEMENT