Seite 58 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_12

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Eine Zukunftsfrage nicht nur für Wohnungsunternehmen
Fernwärme in Brandenburg
Ein Großteil der Mietwohnungen im Geschosswohnungsbau wird in Brandenburg mit Fernwärme versorgt.
Preisdatenbanken der wohnungswirtschaftlichen Verbände zu Betriebskosten oder Monitoringinstrumente
schaffen Transparenz über Qualität und Preise z. B. der Energieträger. Eine kooperative Diskussion über die
Zukunft der Fernwärme ist erforderlich, soll sie eine wichtige Rolle in der Energiewende übernehmen, das
ergab eine Potsdamer Fachkonferenz, die das Quartier als die entscheidende Ebene definierte.
Mit Fernwärme werden etwa drei Viertel aller
Wohnungen der Mitgliedsunternehmen des BBU
in Brandenburg versorgt. Der BBU hat mit den Aus-
wertungen seiner Datenbanken zu Preisen und Be-
triebskosten Transparenz über die Energiepreise in
Brandenburg und die von denMietern tatsächlich
zu zahlenden Betriebskosten geschaffen. Das CO
2
-
Monitoring im Rahmen des Kooperationsvertra-
ges mit dem Infrastrukturministerium aus dem
Jahr 2011 zum Klimaschutz weist daneben auch
die unterschiedliche Qualität der Fernwärme in
einzelnen Städten aus. Die landesweite Diskus-
sion über die Zukunft der Fernwärme muss daher
kooperativ mit allen Beteiligten geführt werden,
denn Fernwärme kann eine wichtige Rolle in der
Energiewende behalten. Vor diesem Hintergrund
und auf Vorschlag des BBU fand am 8. Juli 2014
beimMinisterium für Infrastruktur und Landwirt-
schaft (MIL) in Potsdam die „1. Statuskonferenz
Fernwärme in Brandenburg“ statt. Vertreter der
Ministerien für Infrastruktur und für Wirtschaft,
des Verbandes kommunaler Unternehmen e. V.
(VKU), von Stadtwerken, Wohnungsunternehmen,
Kommunen und des BBU debattierten –moderiert
von Prof. Dr. Felix Müsgens, BTU Cottbus-Senf-
tenberg – die Rolle der Fernwärme für die Ener-
giewende und die Energiestrategie des Landes
Brandenburg. Kathrin Schneider, Staatssekretärin
imMIL, und Dr. Carsten Enneper, Staatssekretärin
imMinisterium für Wirtschaft und Europaangele-
genheiten, hoben den innovativen Charakter der
Veranstaltung hervor.
Kritik an Fehlentwicklungen
Der einführende Vortrag von Prof. Dr. Dieter Wolff
von der Ostfalia Hochschule für angewandteWis-
senschaften machte deutlich, in welchem Span-
nungsfeld sich die aktuelle Diskussion bewegt. Im
Ergebnis mehrerer Studien ist seine These, dass an
vielen Standorten vorhandeneWärmenetze weder
wirtschaftlich noch ökologisch vertretbar sind.
Zukünftige Entscheidungen zur Fernwärmever-
sorgung sollten künftig vermehrt aufgrund von
Wirtschaftlichkeitserwägungen – unter Berück-
sichtigung der Abnehmerseite –, aber auch der
Endenergie- und CO
2
-Bilanzen getroffenwerden.
Die mit der EnEV eingeführte ausschließliche
Primärenergiebewertung von Energiesystemen
führt zu Fehlentwicklungen. So kritisierte Wolff
besonders, dass die EnEV Energiesysteme bevor-
teilt oder benachteiligt, ohne dass deren Aus-
wirkungen auf CO
2
-Bilanz und Energieverbrauch
berücksichtigt werden.
Für die Wirtschaftlichkeit eines Wärmenetzes sind
die Art der Wärmeerzeugung, das Wärmenetz
und der Wärmeverbrauch der zu versorgenden
Gebäude entscheidend. Kritisch sind vielfach die
Wärmenetzverluste. Bezogen auf die real beheizte
Fläche der angeschlossenen Gebäude sollten diese
Verluste 10-15 kWh/(m
2
a) nicht übersteigen. Das
ist in Systemenmit hoher Abnahmedichtemöglich.
In Siedlungenmit Einfamilien- und Reihenhäusern
und in sanierungsbedürftigen Fernwärmenetzen
sind Verluste von 15-45 kWh/(m
2
a) gemessen
worden. Die Verluste eines Netzes sind von der
durchgeleiteten Wärmemenge und von ihrem
baulichen Zustand abhängig. Mit sinkendemEner-
gieverbrauch, ausgelöst z. B. durch energetische
Gebäudemodernisierungen, können bestehende
Wärmenetze in der Zukunft deshalb zunehmend
unwirtschaftlichwerden. Fernwärmenetze zur Nut-
zung regenerativer Energiequellen wie Solar, Bio-
gas undHolzwerden nur dann eine Zukunft haben,
wenn es gelingt, die Netzverluste zu minimieren
und mit einem attraktiven Wärmepreis den Wett-
bewerb zu anderenHeizanlagenmit vergleichbarer
Energie- und CO
2
-Bilanz zu bestehen.
Die von Prof. Dr. Dieter Wolff vorgestellte Stu-
die „Überlegungen zu Einsatzgrenzen und zur
Gestaltung einer zukünftigen Fern- und Nahwär-
meversorgung“ von Jagnow/Wolff enthält einen
Leitfaden und Empfehlungen für die Bewertung
von Nah- und Fernwärmeprojekten
1
.
Bewertung von Energiesystemen
aus Sicht der Wohnungswirtschaft
Die aktuellen Auswertungen der BBU-Datenban-
ken mit Kennwerten zu Betriebskosten, Energie-
verbrauch, CO
2
-Emissionen und Energiepreisen
(siehe hierzu auch DW 1/2014, S. 44) belegen:
Aufgrund fortschreitender Sanierung bei denMit-
gliedsunternehmen des BBU imLand Brandenburg
sind seit 1995 die monatlichen Heizkosten mit
rund 1 €/m
2
im Monat konstant geblieben. Die
durchschnittlichen CO
2
-Emissionen aus Raum-
heizung, Warmwasser und Hausstrom im Woh-
nungsbestand der Mitgliedsunternehmen des
BBU im Jahr 2012 betrugen nur rund 1,5 t CO
2
je
Wohnung im Jahr.
Die Auswertungen der Datenbanken zeigen zu-
dem, dass eine differenzierte Betrachtung ins-
besondere der Fernwärme im Land Brandenburg
erforderlich ist. Denn bei den Fernwärmepreisen
gibt es erhebliche regionale Unterschiede zwi-
schen 82 und mehr als 135 €/MWh bei einem
Durchschnittsmischpreis von rund 108 €/MWh;
der durchschnittliche Energieverbrauch für Hei-
zung und Warmwasser liegt bei mit Fernwärme
versorgten Wohnungen bei 107 kWh/(m
2
a) im
Jahr. Im Vergleich hierzu liegt der Mischpreis
für Erdgas bei 62 €/MWh; der durchschnittliche
Siegfried Rehberg
Leiter des Bereichs Technik
BBU Verband Berlin-Brandenburgi-
scher Wohnungsunternehmen e. V.
Berlin
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12|2014
ENERGIE UND TECHNIK