Seite 11 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_11

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Innerstädtische Nachverdichtung
Chancen nutzen!
Urbanität ist immer mit Dichte verbunden. Die Nähe der Infrastruktur ist dabei genauso selbstverständlich
wie die Nähe zum Nachbarn. Einen überzeugten Landbewohner wird man niemals mit den Qualitäten
urbaner Strukturen in die Stadt locken können. Aber Menschen, die städtisches Wohnen bevorzugen, kann
man durchaus mit besseren Qualitäten für das Wohnen in der Stadt interessieren.
Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung sind
Begriffe, die heute bei fast jeder Gelegenheit
auftauchen, ob ernst gemeint oder der „political
correctness“ entsprechend verwendet. ImZusam-
menhang mit innerstädtischer Entwicklung zur
Nachverdichtung sind sie aber selbstverständli-
cher Bestandteil, quasi systemimmanent.
Unabhängig von der Größe städtischer Gefüge
steht dabei die optimale Flächennutzung in Zu-
sammenhangmit vorhandenen Infrastrukturen im
Vordergrund. Ver-, Entsorgungs- und Verkehrssys-
teme, Erschließung, Schulen, Kindergärten etc.
sind mehr denn je kritischer Kostenbetrachtung
ausgesetzt. Nicht zuletzt wegen der weit verbreite-
tenHaushalts- und Finanzprobleme vieler Kommu-
nen. Also liegt es nahe, vor weiterer Inanspruch-
nahme unbebauter, unerschlossener Flächen, die
vorhandenen Potenziale städtischer Strukturen zu
erkunden und zu nutzen. In einer Stadt wie Mün-
chen, wo – bei weiterem Wachstum – ein immer
problematischer werdender Wohnungsmangel
herrscht, ist dies ohnehin ein zwingender Ansatz.
Dichte oder Qualität?
Das Fachwort „Nachverdichtung“ löst bei den
meisten Betroffenen Unbehagen aus. Man un-
terstellt zunächst – verständlicherweise – nur
mehr Dichte, d. h. Enge und daraus folgende Pro-
bleme: An guten Beispielen kann man jedoch im
Gegenzug nachweisen, dass zunehmende Dichte
in urbanen Strukturen nicht automatisch zu einer
Verschlechterung der Wohn- und Lebensbedin-
gungen führen muss. Wie bei so vielem kommt
es darauf an, wie und mit welchem Qualitätsan-
spruch man etwas macht.
Intensivierung baulicher Nutzung
Die Sanierung bzw. Ertüchtigung vieler alter
Quartiere und Gebäude steht nicht nur wegen
der energetischen Herausforderungen an. ImZuge
ganzheitlicher Betrachtung und nachhaltiger Be-
wirtschaftung ist es durchaus angebracht, über
intensivere bauliche Nutzungen nachzudenken.
Gerade unter dem Aspekt, dass der Boden nicht
vermehrbar ist und Mangel an bezahlbaren Woh-
nungen herrscht.
Viele Quartiere oder Siedlungen können mit be-
hutsamen oder auch mit einschneidenden Nach-
verdichtungen baulichwie strukturell aufgewertet
werden. Wenn neben funktionalen Wohnungen
auch gut gestaltete sowie vielseitig nutzbare
Freiräume entstehen und attraktive Architektur
entweder die bisherige Identität eines Quartiers
erhält oder sogar eine neue schafft, können
selbst intensiver genutzte Quartiere hohe Ak-
zeptanz verzeichnen. Genügend Beispiele sind
im Rahmen des Deutschen Bauherrenpreises der
AG KOOPERATION aufgezeigt und auch prämiert
worden.
Ein Beispiel aus der Praxis
Die GWG München praktiziert seit rund zehn
Jahren systematische Nachverdichtung in ihren
Quartieren. Ein Wohnquartier aus den 1960er
Jahren wurde durch Ergänzungsbauten entlang
des verkehrsbelastetenMittleren Rings und durch
eine eingeschossige Aufstockung maß- wie wir-
kungsvoll nachverdichtet. Nicht nur der nunmehr
entstandene Schallschutz für die gesamte Sied-
lung, sondern auch die 63 zusätzlich geschaffe-
nen modernen, barrierefrei erschlossenen Woh-
nungen bewirken eine noch nicht dagewesene
Wohn- und Lebensqualität an dieser Stelle. Die in
diesem Zuge durchgeführten Wärmedämmmaß-
nahmen in Kombination mit der Anbringung von
neuen Balkonen komplettieren die Aufwertung.
Die Neugestaltung der Außenanlagen – mit Bau
einer Tiefgarage – trägt ebenfalls zur positiven
Resonanz bei.
Augenmaß bei der Nachverdichtung
Mit diesemBeispiel soll demonstriert werden, dass
in der innerstädtischen Nachverdichtung auch
eine riesige Chance steckt. Mit städtebaulichem
und architektonischemAugenmaß konzipiert und
verantwortungs- und qualitätsvoll umgesetzt,
kann sie Aufwertung und gleichzeitig Nachhal-
tigkeit bedeuten.
Hans-Otto Kraus
Technischer Geschäftsführer
GWG München
THEMA DES MONATS
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11|2012