Immobilien Wirtschaft Digital Guide Real Estate 2023

lebenszyklusorientierten Sichtweise prinzipbedingt gefördert. Aus Sicht des Immobilienbetriebs werden digitale Bauwerksmodelle auch als Chance verstanden. Betreiber- und Eigentümersicht sind einfacher in der Planungsphase einzubringen. Bereits am Modell können Betriebskonzepte abgestimmt werden. May: Nicht zu vergessen: Die Themen Immobilienbetrieb und FM sollten heute auch mit in die Ausbildung von Architekten und Bauingenieuren integriert werden. Seit mehr als einer Dekade werden ja FM-Studierende an IT-Systemen ausgebildet. Warum setzen sie das im Berufsalltag nicht um? Krämer: Ich denke, das tun sie zunehmend. Natürlich betrifft das nicht immer gleich Big-BIM-Lösungen. Der modellbasierte Austausch von Daten hat aber in den letzten Jahren nicht zuletzt mit CAFM-Systemen stark zugenommen – auch wenn nicht jedes Projekt gleich als BIM-Projekt bezeichnet wird. In den Hochschulen und Universitäten versuchen wir darüber hinaus die interdisziplinäre Zusammenarbeit verstärkt in die Lehre zu bringen. Aber auch hier erfordert das ein Umdenken, um derartige Lehrangebote studiengangs- oder fakultätsübergreifend zu entwickeln. May: Unsere Studierenden erlernen schon seit 1995 den Umgang mit FM-relevanten IT-Systemen. Sie tragen dieses Wissen seither auch in die Praxis. Ich erlebe zunehmend, wie unsere Absolventinnen und Absolventen in großen Einrichtungen wie an Flughäfen, Forschungsinstituten und im öffentlichen Bereich bereits maßgeblich für die Digitalisierung im FM-Bereich verantwortlich sind. In wie viel Prozent des Bestands wird in fünf Jahren BIM eingesetzt werden? Schlundt: Das ist schwierig zu sagen. Der größte Nutzen ist eher im Neubau zu finden. Bei Umbauten im Bestand kann BIM aber auch genutzt werden. May: Fünf Jahre sind zu kurz gedacht. Es muss insbesondere auch im internationalen Vergleich aufgeholt werden: zum einen durch Druck von der Regierung und verpflichtende Einführung von BIM, zum anderen durch Aktualisieren der gängigen Normen und Richtlinien. BUCHTIPP Grundlagen- wissen und Einsatz von BIM im Berufsalltag des FM. Mit vielen Praxisbeispielen. BIM im Immo- bilienbetrieb May/Krämer/ Schlundt (Hrsg.) Springer Vieweg 347 Seiten Buch inkl. EBook 84,99 Euro ISBN: 978-3658-36265-2 „BIM HEISST NICHT AUTOMATISCH, DASS EIN 3D-MODELL VORHANDEN IST. WIR ZEIGEN ANHAND VON FALLBEISPIELEN DEN MEHRWERT VON BIM IN DER BETRIEBSPHASE AUF. LEIDER WIRD BIM ZURZEIT OFT NUR FÜR PRESTIGEOBJEKTE EINGESETZT.“ Maik Schlundt, Business Analyst für CAFM bei der DKB-Service GmbH Die mangelnde Datenkompatibilität allein zwischen CAD und CAFM ist schon im Ansatz austauschfeindlich. Warum hat an dieser Stelle etwa das IFCModell noch nicht viel gebracht? Krämer: Das würde ich nicht so sehen. Akzeptierte aufgabenbezogene Austauschstandards auf Basis von IFC, so genannte MVDs, etwa als Bestandteil von CAFM-Connect, zeigen auch in der Praxis Wirkung. Die umfassenden Standardisierungsinitiativen auch im Bereich der Klassifizierung wirken sich ebenfalls positiv aus. Zukünftig werden BIM und IFC die Schnittstelle zu CAFM-Systemen deutlich vereinfachen – zumindest was die Grundelemente betrifft. May: Auch sei an die Prüfung des Datenaustauschs zwischen BIM und CAFM im Rahmen der gefmaZertifizierung nach Richtlinie 444 erinnert. Die meisten CAFM-Systeme, die in den letzten fünf Jahren von uns zertifiziert wurden, beherrschen diesen Austausch nun. Schlundt: Die Technologie ist da. Das Mindset und natürlich auch finanzielle Ressourcen, aber auch Fachkräfte müssen dazugeholt werden. Nur dann wird Technologie erfolgreich verwendet. Im Endeffekt muss das Facility Management dies von den Softwareherstellern fordern und über Projekte entsprechend implementieren. Gibt es eine überzeugende Modellrechnung für den Return on Investment? Krämer: Der wirtschaftliche Nutzen wird immer nur projekt- oder unternehmensspezifisch nachgewiesen werden können. Wir haben deshalb wesentliche Treiber der Wertschöpfung im Buch zusammengestellt. Diese werden anhand von typischen BIM-Anwendungsfällen im Immobilienbetrieb aufbereitet. Ein vergleichbares Verfahren wird mit der GEFMA RL 460 für die Berechnung der Wirtschaftlichkeit von CAFM-Systemen bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Letztendlich wird eine Entscheidung zur Anwendung der BIM-Methode im Immobilienbetrieb aber nicht durch rein finanzwirtschaftliche Größen begründet werden können. Deshalb schlagen wir vor, die Kunden-, Prozess- und Innovationsperspektive mit einzubeziehen. Worin also besteht der Prozess- und Innovationsmehrwert genau? Schlundt: Diese Frage haben wir ausführlich im Buch beantwortet. So wird etwa durch BIM beim Übergang zwischen einzelnen Lebenszyklusphasen der Datenverlust reduziert. Dadurch entfallen die Kosten zur Neuaufnahme. Die Qualität der Prozesse basierend auf konkreten Daten wird erhöht. Es können somit wesentlich früher Entscheidungen bezogen auf Daten und nicht aus dem Bauchgefühl getroffen werden. Was muss sich ändern, damit – sagen wir – ein Architekt lebenszyklusorientiert denkt? Krämer: Die Umstellung muss vor allem im Kopf aller Beteiligten passieren. Mit der Anwendung der BIM-Methode und der Umsetzung aktueller BIMLeitfäden, wie BIM4Infra, wird der Wandel zu einer 71 · Digital Guide · Real Estate 2023

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